Liebe Leser*innen,
am 25. Mai hat der Bochumer Rat getagt. In diesem Newsletter berichten wir von der Sitzung und von unseren sonstigen Aktivitäten in diesem Monat. Dabei müssen wir leider schlechte Nachrichten für viele Eltern verkünden, und auch in Bezug auf den dringend notwendigen sozialen Wohnungsbau in unserer Stadt. Außerdem geht es unter anderem um Verkehrspolitik, Polizeigewalt und möglicherweise illegale verkaufsoffenen Sonntage.
Die Themen im Einzelnen:
1. Linksfraktion gegen Schulgebühren, Rot-Schwarz-Grün beschließt Erhöhung
2. Haushaltsloch: Fast 17 Millionen Euro – 700.000 Euro für Konzerthaus
3. Desaströs: Nur sechs Sozialwohnungen in ganz Bochum im Bau
4. Einmal laut gelacht: Bochum nennt sich jetzt „fahrradfreundlich“
5. Linksfraktion fordert Aufklärung nach Polizeieinsatz am 1. Mai
6. Verkaufsoffene Sonntage: Linksfraktion drängt auf Stellungnahme
7. Lernfabrik: Opel endlich beim Wort nehmen!
8. Hand in Hand gegen Rassismus: Aktion am 18. Juni
1. Linksfraktion gegen Schulgebühren, Rot-Schwarz-Grün beschließt Erhöhung
Los ging es auf der Ratssitzung mit Schulpolitik. Gegen unsere die Stimmen haben SPD, CDU und Grüne gemeinsam die Gebühren für die Betreuung in den Bochumer Grundschulen erhöht. Unser Fraktionsvorsitzende Ralf-D. Lange hat diese Politik scharf kritisiert: Grundsätzlich forderte er, dass schulische Angebote über ein sozial gerechtes Steuersystem finanziert werden sollten, und nicht über Gebühren, die Familien und Alleinerziehende zusätzlich belasten. Konkret wies er darauf hin, dass die rot-grüne Rathauskoalition im Rahmen ihrer Kürzungspolitik die städtische Finanzierung für die Betreuungsangebote um 300.000 Euro reduziert hat. „Diese Kürzung der städtischen Finanzierung soll nicht zurückgenommen werden, sondern stattdessen sollen lediglich die Gebühren weiter erhöht werden“, kritisierte Lange. Dadurch werde das bereits im Jahr 1919 abgeschaffte Schulgeld durch die Hintertür wieder eingeführt: „Selbst Stadtdirektor Michael Townsend gab in der Sitzung des Schulausschusses zu, dass die Gebühren wie ein Schulgeld wirken“, so Ralf-D. Lange weiter. Die Rede im Wortlaut. Insbesondere die CDU versuchte sich mit einem Verweis auf die Landesgesetzgebung rauszureden. Das erklärt allerdings nicht, warum Eltern in Bochum mehr bezahlen müssen als in vielen anderen NRW-Städten. Und vor allem bedauern wir, dass die Mehrheit des Bochumer Rats nicht bereit ist, sowohl vor Ort als auch auf den anderen politischen Ebenen eine grundsätzliche Gebührenfreiheit von schulischen Angeboten einzufordern. Wir werden das weiterhin tun.
2. Haushaltsloch: Fast 17 Millionen Euro – 700.000 Euro für Konzerthaus
Die andere Seite der unsozialen Bochumer Kürzungspolitik ist derweil durch einen Bericht der Verwaltung bekannt geworden. Nur zwei Wochen nach der Genehmigung des Haushalts durch die Bezirksregierung prognostiziert die Stadt trotz aller Einschnitte ein Haushaltsloch von 16,9 Millionen Euro. Bei der Auflistung der Mindereinnahmen und Mehrkosten fällt uns ein Posten besonders auf: Für die Bochumer Symphoniker wird ein Mehrbedarf in Höhe von ganzen 700.000 Euro angekündigt – „u.a. verursacht durch das Musikforum“, wie es in der Verwaltungsvorlage heißt. Auf Nachfrage erklärte Stadtdirektor Michael Townsend in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses: Durch die verspätete Eröffnung des Musikzentrums würden Einnahmeausfälle entstehen, die bei der Aufstellung des Haushalts nicht berücksichtigt worden sind. Wenn keine Veranstaltungen stattfinden, könnten schließlich auch keine Eintrittskarten verkauft werden. Mehr zum Thema.
Wir kritisieren, dass Verwaltung, SPD, CDU und Grüne in Bochum über Jahre hinweg versucht haben, die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Kosten des Konzerthaus-Baus zu täuschen. Eine solche Politik, die millionenschwere Prestigeprojekte unseriös durchboxt, während vor allem im Sozialbereich und bei der grundständigen Infrastruktur massiv gekürzt wird, schadet unserer Stadt. Dass sich die Ratsmitglieder gegen unsere Stimmen bereits auf der vergangenen Sitzung besonders günstige Konzerthaus-Tickets für sich selbst beschlossen haben (Infos | WAZ-Bericht), passt da leider ins Bild.
3. Desaströs: Nur sechs Sozialwohnungen in ganz Bochum im Bau
Allen vollmundigen Ankündigungen durch Oberbürgermeister Thomas Eiskirch zum Trotz: Die Situation beim sozialen Wohnungsbau sieht weiterhin desaströs aus. Wie die Verwaltung zu dieser Ratssitzung einräumen musste, befinden sich in ganz Bochum aktuell gerade einmal sechs Sozialwohnungen im Bau, und Förderzusagen gibt es aktuell auch nur für 88 weitere. Und auch bei den gestellten Anträgen sieht es mit nur 33 Wohnungen nicht besser aus. (Die Mitteilung der Verwaltung im Wortlaut) Zum Vergleich: Im Jahr 2004 gab es noch 25.000 Sozialwohnungen in unserer Stadt, seitdem hat sich das Angebot dieses günstigen Wohnraums um 11.000 Wohnungen auf nur noch 14.000 reduziert.
Die Zahlen belegen erneut eindrucksvoll, dass wir ein kommunales Wohnungsbauprogramm für Bochum brauchen. Die Linksfraktion fordert, dass die Stadt im Rahmen eines solchen Programms nicht nur auf private Investoren vertraut, sondern selbst dringend benötigten Wohnraum schafft – sowohl durch den Aufkauf und die Instandsetzung von Leerstand als auch durch Neubau. Zuletzt haben wir im September einen entsprechenden Antrag gestellt (mehr Infos). Unser Antrag wurde von Rot-Grün jedoch abgelehnt. Damit ist zu befürchten, dass uns die aktuelle Wohnraumkrise weiter erhalten bleibt. Denn leider setzt die Koalition lediglich auf den Neubau von Container- und Massenunterkünften für Geflüchtete, während sie sich beim Bau von menschenwürdigen Wohnungen praktisch überhaupt nicht engagiert. Angesichts der jetzt vorgelegten Zahlen fordern wir dringend ein Umdenken. Wir werden weiterhin für den Einstieg in ein kommunales Wohnungswesen kämpfen, das diesen Namen auch verdient.
4. Einmal laut gelacht: Bochum nennt sich jetzt „fahrradfreundlich“
Kein Witz: Bochum ist jetzt Mitglied in der „Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte“ (AGFS) – obwohl die Fahrrad-Infrastruktur in unserer Stadt verglichen mit tatsächlich fahrradfreundlichen Städten nach wie vor eine Zumutung ist. Grundlage für die Aufnahme sind allerdings auch keine harten Fakten wie etwa der Anteil des Radverkehrs am gesamten innerstädtischen Verkehr, der bei uns seit 1990 unverändert bei miserablen fünf Prozent liegt. Grundlage ist vielmehr die „Bereisung“ durch eine Bewertungskommission. Dieser denkwürdige und hochgradig inszenierte Fahrradausflug mit Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hat am 23. Mai stattgefunden. Für uns hat Sabine Lehmann, Vertreterin der Linksfraktion im Ausschuss für Infrastruktur und Mobilität, an dem Spektakel teilgenommen. Auf unserer Homepage berichtet sie ausführlich darüber – unter anderem von kotzenden Passanten, Thomas Eiskirch ohne ÖPNV-Ticket und typischen Bochumer Luftschlössern. Prädikat: Lesenswert!
5. Linksfraktion fordert Aufklärung nach Polizeieinsatz am 1. Mai
Nach wie vor sehen wir Aufklärungsbedarf in Bezug auf den Polizeieinsatz am 1. Mai in Bochum. Daher haben wir eine umfassende Anfrage zum Thema gestellt. Es geht darum, dass bei der Demonstration gegen den Neonazi-Aufmarsch Berichten zufolge etwa 50 Demonstrant*innen durch Reizgas- und Schlagstockeinsätze sowie durch Tritte und Schläge verletzt worden sind. Außerdem hat die Polizei hunderte von Menschen, die sich zum Protest gegen die Neonazis zusammengefunden hatten, in der Kortumstraße in einem sogenannten Polizeikessel eingeschlossen. Dort wurden sie bis zu sieben Stunden lang ihres Demonstrationsrechts sowie ihres Rechts auf Bewegungsfreiheit beraubt. Einem Demonstranten wurde durch die Polizei der Arm gebrochen, er musste im Krankenhaus behandelt werden.
In unserer Anfrage verlangen wir unter anderem Auskunft darüber, ob es im Vorfeld dieses Einsatzes Gespräche zwischen der Stadt und der Polizei gab, und ob die Stadt in die Entscheidung gegen eine räumliche Trennung der Neonazi-Demo und der nur 250 Meter entfernt lokalisierten DGB-Kundgebung eingebunden war. Außerdem wollen wir wissen, wie die Stadt den Polizeieinsatz und die Polizeistrategie bewertet. Unsere Anfrage im Wortlaut.
Als Linksfraktion haben wir die lautstarken, bunten und kreaktiven Proteste gegen den Neonazi-Aufmarsch begleitet, an denen sich mehrere tausend Menschen beteiligt haben. Bereits am Tag danach haben wir einen Bericht über die Vorfälle veröffentlicht. „Nach einer Auswertung der uns bisher vorliegenden Informationen müssen wir zu dem Ergebnis kommen, dass der Polizeieinsatz unverhältnismäßig war“, sagte darin unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange. „Der stundenlange Freiheitsentzug im Kessel auf der Kortumstraße wirkte auf uns zudem sehr willkürlich. Unter den Betroffenen befanden sich viele Jugendliche und ehrenamtlich Aktive, die wir kennen. Dass die Polizei sie pauschal als ‚Störer’ verunglimpft, halten wir für ungerechtfertigt.“ Der Bericht im Wortlaut. Über die Antwort auf unsere Anfrage werden wir berichten, sobald sie vorliegt.
6. Verkaufsoffene Sonntage: Linksfraktion drängt auf Stellungnahme
Ist das eine absichtliche Verzögerungstaktik, oder mahlen die Mühlen der Verwaltung wirklich so langsam? Auf der Ratssitzung haben wir erneut die längst überfällige Beantwortung unserer Anfrage aus dem Dezember vergangenen Jahres eingefordert. Es geht darum, ob sich der Bochumer Rat mit dem Beschluss der neun verkaufsoffenen Sonntage für dieses Jahr über geltendes Recht hinweggesetzt hat. Wir haben eine zügige Antwort angemahnt, damit die Stadt vor den verkaufsoffenen Sonntagen im Herbst gegebenenfalls noch die notwendigen Konsequenzen ziehen kann.
Als Anlässe für die umstrittenen Sonntagsöffnungen müssen in Bochum unter anderem das Frühlingsfest eines Kleingartenvereins und eine bisher völlig unbekannte Veranstaltung namens „Harpen geht neue Wege“ herhalten. Vorwürfe, dass etwa die geplante Veranstaltung „Harpen geht neue Wege“ lediglich erfunden wurde, um dem Ruhrpark eine Sonntagsöffnung zu ermöglichen, sind bis heute nicht widerlegt. Seit Dezember wollen wir von der Stadt wissen, welche Auswirkungen eine Anweisung des NRW-Wirtschaftsministeriums hat. Das Ministerium hatte nach einem Urteil des Bundesverfaltungsgerichts zum Thema erklärt: Bei verkaufsoffenen Sonntagen muss der Anlass an sich schon eine große Besucherresonanz erwarten lassen. Einen Anlass zu schaffen, um eine Rechtfertigung für eine Sonntagsöffnung herzustellen, reiche dagegen nicht aus. Angesichts dieser klaren Anordnung halten wir es für möglich, dass in Bochum verkaufsoffene Sonntage gestrichen werden müssen.
Im Februar hatte die Stadt eine Zwischenmeldung abgegeben, dass sie noch auf die Veröffentlichung des Urteilstextes warte – obwohl dieser bereits drei Tage zuvor veröffentlicht worden ist. Inzwischen ist ein weiteres Vierteljahr vergangen. Eine zügige rechtliche Klärung ist überfällig, damit der Rat gegebenenfalls die Möglichkeit hat, den gegen die Stimmen der Linksfraktion getroffenen Beschluss noch vor den umstrittenen Sonntagsöffnungen im Herbst zu korrigieren.
7. Lernfabrik: Opel endlich beim Wort nehmen!
Wenig Neues gibt es leider in Bezug auf die Pläne, die inzwischen vom TÜV Nord übernommene Opel-Berufsausbildung in eine zukunftsfähige Lernfabrik zu überführen. Dass dies geschehen soll, wurde bei der Abwicklung des Werks verbindlich im Sozialtarifvertrag vereinbart. Allerdings ist seitdem kaum etwas geschehen. Weil der Erhalt und die Schaffung von qualifizierten Ausbildungsplätzen für Bochum von zentraler Bedeutung ist, wollten wir nun über den genauen Planungsstand informiert werden. Unsere Anfrage im Wortlaut. In der Antwort erklärt die Verwaltung, dass Opel nach wie vor lediglich „mit verschiedenen Partnern Gespräche“ zum Thema führe, und dass weder der Standort noch die Projektpartner feststehen. Auch gebe es noch keine Entscheidung darüber, ob bzw. wie die aktuellen Ausbildungshallen zukünftig genutzt werden sollen. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut. Diese nach wie vor unsichere Situation den Ausbildungsstandort Bochum ist alles andere als zufriedenstellend. Wir fordern, dass die Stadt gegenüber Opel eine zeitnahe und dauerhafte Umsetzung der Vereinbarung einfordert, und dass sie nicht zulässt, dass der Konzern das Projekt weiter auf die lange Bank schiebt.
8. Hand in Hand gegen Rassismus: Aktion am 18. Juni
Abschließend gibt es noch einen Termin zum Vormerken: Zusammen mit dem Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit und mehr als 40 Organisationen rufen wir zur Teilnahme an der bundesweiten Aktion Hand in Hand gegen Rassismus – für Menschenrechte und Vielfalt auf. Im Vorfeld des internationalen Gedenktags für Geflüchtete ist die Aktion ein gemeinsames Signal der Solidarität mit den Menschen, denen auch in Bochum nach wie vor gleiche Rechte vorenthalten werden.
„Gegen den gesellschaftlichen Rassismus in all seinen Schattierungen wollen wir mit unseren Menschenketten ein Zeichen setzen“, heißt es in dem Bochumer Aufruf. „Vor allem wollen wir aber die Betroffenen, die Geflüchteten ermutigen, nicht zu verzweifeln. Wir wollen mit riesigen Menschenketten deutlich machen, dass wir mit ganz vielen weiter Druck in unserer Gesellschaft ausüben, damit sie endlich einen gesicherten Aufenthaltsstatus bekommen und wenigstens die Mindeststandards für ihr Leben in unserer Gesellschaft gewährleistet werden. […] Viele fordern von den geflüchteten Menschen Dankbarkeit ein. Wir wollen darüber aufklären, dass Demokratien sich dadurch auszeichnen, dass sie allen Menschen (Menschen)rechte nicht schenken, sondern garantieren – egal, wo sie herkommen. Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, in der Menschenrechte und Menschenwürde nicht nach Herkunft oder Hautfarbe zugeteilt werden, sondern ihre Unantastbarkeit für alle gilt.“ Der Aufruf im Wortlaut.
Am 18.06. macht Bochum den Auftakt für die bundesweiten Menschenketten. Am Tag darauf folgen ebensolche Aktionen in Berlin, Hamburg, Leipzig und München. Zur bundesweiten Homepage. Los geht es in Bochum am Samstag um 12 Uhr – öffentliche Treffpunkte sind der Hauptbahnhof, der Kirmesplatz an der Castroper Straße sowie der Willy-Brandt-Platz vor dem Rathaus. Im Anschluss gibt es eine Kundgebung und ein antirassistisches Kulturfest auf dem Dr.-Ruer-Platz.
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