Newsletter 5/2015: Worüber nicht geredet werden soll

Liebe Leserin, lieber Leser,

schon wieder Banner und Transparente – wie bisher vor jeder Ratssitzung seit Verabschiedung des unsozialen Kürzungshaushaltes im Januar. Diesmal haben die Beschäftigten der städtischen Seniorenbetriebe (SBO) für den Erhalt und Ausbau der Alten- und Pflegeheime sowie für eine ausreichende Finanzierung ihrer Arbeit demonstriert. Auf der Ratssitzung am 7. Mai wurde dann auch intensiv über das Thema diskutiert – allerdings leider ohne die Betroffenen. Die wurden nämlich vorher weggeschickt, da die Ratsmehrheit eine nicht-öffentliche Debatte wollte. Auch wir dürfen hier leider nicht über die Diskussionen zu diesem Thema schreiben. Trotzdem haben wir auch im Mai eine Reihe von Infos zu unserer Arbeit im Rat und darüber hinaus zu berichten.

Die Themen im Einzelnen:

1. Scharfe Kritik an OB Scholz – SPD und CDU verhindern Diskussion im Rat
2. Haushaltsloch: Auch keine Diskussion zu Umverteilungsplänen
3. Apropos Grundsteuer: Anfrage zur Steuerbefreiung von Kirchen
4. Debatte zum Opel-Gelände
5. Rats-TV: Jetzt Nägel mit Köpfen machen!
6. Last-Minute-Info: Demonstration am 9. Mai – wir sind dabei!
7. Unbefristeter Kita-Streik
8. Linksfraktion aktiv: Mai-Kungebung, Gedenken, Proteste gegen NPD-Hetze
9. Nicht vergessen: „NSU-Komplex auflösen!“ am 12. Mai

 

1. Scharfe Kritik an OB Scholz – SPD und CDU verhindern Diskussion im Rat

Für viel Wirbel haben die Forderungen von Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) an die Landesregierung gesorgt, Einzelfallprüfungen vor Abschiebungen bei besonders diskriminierten Flüchtlingen abzuschaffen und noch weniger Rücksicht auf Familien zu nehmen. Nachdem wir öffentlich gemacht haben, dass Bochums Oberbürgermeisterin diese unmenschlichen Forderungen zur Verschärfung der Abschiebepolitik unterschrieben hat, hagelte es vielfältige Kritik, unter anderem vom Flüchtlingsrat NRW und der Initiative Treff(punkt) Asyl. Auch Mitglieder der SPD und Grünen, mit denen wir gesprochen haben, äußerten Ärger und Unverständnis über die Forderungen. Mehr Infos zum Thema.

In unseren Augen wäre es nun wichtig gewesen, dass sich der Bochumer Rat schnellstmöglich von den inhumanen Forderungen distanziert. Deshalb haben wir einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der sich für eine menschliche Flüchtlingspolitik und gegen die Abschaffung von Einzelfallprüfungen vor Abschiebungen ausspricht. Mehr Infos zu Antrag und unseren Forderungen. Auf der Sitzung haben dann allerdings die SPD und die CDU gemeinsam mit den rechten Parteien eine Debatte zum Thema verhindert. Obwohl die von Scholz unterstützten Forderungen gerade bundesweit Schlagzeilen machen und sie von der Verwaltung als Signal verstanden werden könnten, die vorgeschriebenen Einzelfallprüfungen laxer zu handhaben, sei eine Positionierung des Rates zum Thema „nicht dringlich“, so die Begründung. Auch Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz äußerte sich nicht zu den Vorwürfen gegen sie.

Das Vorgehen, die wichtige Debatte wegen angeblicher „Nicht-Dringlichkeit“ zu verhindern, halten wir für kaltschnäuzig. Die Oberbürgermeisterin hat den von ihr unterzeichneten Brief sieben Wochen lang verschwiegen – trotz mehrerer Rats- bzw. Ausschusssitzungen in dieser Zeit. Er wurde erst bekannt, nachdem die regulären Antragsfristen für diese Ratssitzung verstrichen waren. Bereits das halten wir für ein starkes Stück, und es würde alleine ausreichen um einen Dringlichkeitsantrag zu begründen. Dass die SPD-Fraktion nun trotzdem gemeinsam mit Konservativen und Rechten eine Debatte darüber und eine zeitnahe Reaktion des Rates verhindert hat, stellt sich für uns als flüchtlingspolitisches Totalversagen einer angeblich sozialdemokratischen Partei dar. Unserer Meinung nach ist dieses Verhalten ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich hier in Bochum für Flüchtlinge und gegen Abschiebungen engagieren. Wir verlangen von Ottilie Scholz weiterhin eine Distanzierung von den inhumanen Forderungen und eine Entschuldigung bei den Betroffenen. Unser Dringlichkeitsantrag inklusive Begründung im Wortlaut.

 

2. Haushaltsloch: Auch keine Diskussion zu Umverteilungsplänen

Verhindert wurde auf der Sitzung auch eine Diskussion über die von der Verwaltung vorgeschlagene Grundsteuererhöhung bei gleichzeitiger Absenkung der Unternehmenssteuer. Hier lehnte allerdings die rot-grüne Ratsmehrheit die Dringlichkeit gegen die Stimmen der CDU ab. Die CDU hatte gefordert, die Grundsteuererhöhung zurückzuweisen und stattdessen „Einsparpotentiale in der Verwaltung sowie im städtischen Haushalt“ zu finden.

Als Linksfraktion sprechen wir uns ausdrücklich dagegen aus, die unsoziale Kürzungspolitik noch weiter zu verschärfen. Verräterisch an dem CDU-Antrag war insbesondere, dass er sich nicht gegen das von der Verwaltung gleichzeitig vorgeschlagene Steuergeschenk an die Unternehmen ausspricht. Wir bleiben dabei: Wer gleichzeitig Steuergeschenke an die Wirtschaft verteilen und die Bochumer BürgerInnen zusätzlich belasten will – sei es durch eine Grundsteuererhöhung oder einen noch krasseren Abbau der öffentlichen Daseinsvorsorge – muss mit unserem Widerstand rechnen.

 

3. Apropos Grundsteuer: Anfrage zur Steuerbefreiung von Kirchen

Anlässlich des Vorschlags der Verwaltung, die Grundsteuer zu erhöhen, haben wir eine Anfrage in den Rat eingebracht. Denn im Gegensatz zu den Bochumer Bürgerinnen und Bürgern sind Religionsgemeinschaften in Deutschland laut Grundsteuergesetz von der Grundsteuer befreit. Das ist eine der vielen Formen, mit denen die Kirchen hierzulande vom Staat subventioniert werden. Mit unserer Anfrage wollen wir klären, was diese Sonderbehandlung der Kirchen die Stadt Bochum jährlich kostet. Aufgrund des großen kirchlichen Grundbeseitzes gehen wir davon aus, dass die Einnahmeausfälle für den städtischen Haushalt substanziell sind. Wenn wir damit richtig liegen, halten wir es für angebracht, dass sich die Stadt Bochum für die Abschaffung dieser Bevorzugung der Kirchen im Grundsteuergesetz einsetzt. Unsere Anfrage im Wortlaut.

 

4. Debatte zum Opel-Gelände

Kontrovers diskutiert wurde auf der Ratssitzung der Kaufvertrag über das Opel-Gelände, das die Entwicklungsgesellschaft „Bochum Perspektive 2022“ übernehmen soll. In einer Rede hat unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange begründet, weshalb wir dem Kaufvertrag in der vorliegenden Form nicht zustimmen konnten. Er verwies auf unsere Forderung, den bestehenden Gleisanschluss am Standort Laer nicht rückzubauen, da er ein Alleinstellungsmerkmal für die Vermarktung darstellt und Logistik alleine über die Straßen unökologisch ist und zu einer massiven Belastung von AnwohnerInnen führt. Außerdem kritisierte er irreführende Informationen in der öffentlichen Vorlage zu der Frage, in wieweit Opel vollumfänglich für die Altlasten auf dem Gelände haftbar bleibt. Denn in der Vorlage wird selektiv aus dem nicht-öffentlichen Vertrag zitiert und damit ein falscher Eindruck erweckt. Auf unsere Forderung, die gesamten Bestimmungen zum Thema Altlasten öffentlich zu machen, hat die Verwaltung nicht reagiert. Außerdem stellte er in Frage, ob dem Grundstück wegen der Altlasten überhaupt ein positiver Wert zugemessen werden kann. Denn nur in diesem Fall ist die Übernahme des Grundstücks zum symbolischen Kaufpreis von einem Euro keine selektive Begünstigung des Unternehmens Opel. Trotz dieser Kritik hat die Ratsmehrheit die vorliegende Version des Kaufvertrags beschlossen. Die Rede von Ralf-D. Lange im Wortlaut.

 

5. Rats-TV: Jetzt Nägel mit Köpfen machen!

Im Februar hatten wir zusammen mit der Sozialen Liste beantragt, dass die Sitzungen des Rats zukünftig als Livestream auf der Internetseite der Stadt zur Verfügung gestellt werden. (Unser Antrag im Wortlaut.) Obwohl die Verwaltung bereits vor Jahren mitgeteilt hat, dass die Einführung des so genannten Rats-TV in Bochum ohne großen technischen Aufwand möglich ist, hatten die SPD, die Grünen und die CDU im Februar unseren Antrag abgelehnt und stattdessen der Verwaltung einen erneuten Prüfauftrag erteilt.

Zu dieser Ratssitzung hat die Verwaltung die Ergebnisse ihrer Prüfung mitgeteilt. Die sind wenig überraschend und decken sich weitgehend mit unseren Erkenntnissen: So kostet die Bereitstellung des Livestreams inkl. Archivierung der Videos durch einen externen Dienstleister in Essen und Bottrop jeweils 850 Euro pro Sitzung. Eine Umsetzung durch die Stadt Bochum ohne externen Dienstleister würde nach Einschätzung der Verwaltung 10.000 Euro Investitionskosten notwendig machen, anschließend würden lediglich zwischen drei und 15 Arbeitsstunden pro Sitzung anfallen. Auch die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen sind geklärt. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut. Nach dieser Antwort der Verwaltung gibt es nun endgültig keine Ausreden mehr, die Einführung des Rats-TV weiter zu verzögern. Die Linksfraktion fordert eine zeitnahe Einführung, um die Politik im Rathaus endlich transparenter zu machen.

 

6. Last-Minute-Info: Demonstration am 9. Mai – wir sind dabei!

Bereits diesen Samstag, den 9. Mai findet in Bochum die Demonstration der Initiative „GewerkschafterInnen für Frieden und Solidarität“ statt. Anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung von Krieg und Faschismus rufen die GewerkschafterInnen auf, für eine andere Politik auf die Straße zu gehen. Machen wir die Demo gemeinsam zu einem deutlichen Zeichen dafür, dass ein Politikwechsel auf allen Ebenen nötig ist – sowohl bei uns in Bochum als auch landes-, bundes- und europaweit! Die Forderungen des gewerkschaftlichen Bündnisses:

  • JA! zur Abrüstung, zu Rüstungskonversion und ziviler Konfliktbearbeitung!
    NEIN! zu Krieg, zu Gewalt und zu mehr Militär und Hochrüstung!
  • JA! zur Solidarität mit Flüchtlingen und sozialer Asylpolitik!
    NEIN! zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit!
  • JA! zu UMfairTEILUNG und zu einer Politik wirtschaftspolitischer Vernunft!
    NEIN! zu Spardiktaten und Austeritätspolitik!

Als Bochumer Linksfraktion begrüßen wir das Engagement der aktiven GewerkschafterInnen und freuen uns, dass die zentrale Demonstration bei uns in Bochum stattfindet. Denn die angesprochenen Themen lassen sich nicht voneinander trennen. Und sie haben alle auch Auswirkungen auf die lokale Politik: Wer Milliarden für Rüstung und eine Militarisierung der Außenpolitik ausgibt, aber gleichzeitig behauptet, für ein Erhalt sozialer Infrastruktur vor Ort und für eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten sei kein Geld da, sagt damit nur eins: Eine grundlegende UMfairTEILUNG ist nötig! Wer Kommunen und ganze Länder zu einer Verschärfung der unsozialen Kürzungspolitik anhält, aber gleichzeitig die Gewinne von Banken und Konzernen absichert, macht ebenfalls deutlich: Eine andere Politik ist nötig! Los geht es am Samstag um 13 Uhr vor dem Bochumer Hauptbahnhof, die Kundgebung findet um 14 Uhr vor dem Schauspielhaus statt. Mehr Infos zur Demo.

 

7. Unbefristeter Kita-Streik

Ab kommenden Montag, den 11. Mai werden in Bochum die kommunalen Kindertageseinrichtungen unbefristet bestreikt. Wir bedauern, dass dies aufgrund der Starrköpfigkeit der kommunalen Arbeitgeber notwendig geworden ist. Unsere Unterstützung für die Forderungen nach einer dringend notwendigen Aufwertung der Arbeit im Sozial- und Erziehungsdienst haben wir bereits mehrfach während der Warnstreiks deutlich gemacht.

In einem offenen Brief fordert die Gewerkschaft ver.di die Eltern in Bochum auf, gemeinsam mit ihren Kindern und den Streikenden am Montag der Oberbürgermeisterin einen Besuch im Rathaus abzustatten. Treffpunkt ist am Montag, den 11. Mai 2015 um 11:00 Uhr vor dem Rathaus. Auch wir werden den Besuch bei Ottilie Scholz solidarisch begleiten. Unserer Überzeugung nach sind die Oberbürgermeisterin und die Stadt Bochum in der Verantwortung, sich für ein Ende der Blockadehaltung der kommunalen Arbeitgeber einzusetzen – schließlich verhandelt die Verhandlungskommission auch im Namen der Stadt Bochum.

Wir rufen dazu auf, die Beschäftigten der Bochumer Kitas bei ihrem Arbeitskampf zu unterstützen. Sie streiken gegen eine Unterfinanzierung der Arbeit im Sozial- und Erziehungsbereich, unter der vor allem auch Kinder und Familien leiden. Unsere Anfrage zu den Beschäftigungsverhältnissen in Bochum in diesem Bereich (mehr Infos dazu hier) ist noch nicht beantwortet worden. Sobald das der Fall ist, werden wir darüber informieren.

 

8. Linksfraktion aktiv: Mai-Kungebung, Gedenken, Proteste gegen NPD-Hetze

Auch in den vergangenen Wochen waren wir natürlich nicht nur im Rat und in den Ausschüssen aktiv. So haben wir an der Bochumer Mai-Demonstration der Gewerkschaften teilgenommen und eine neue Ausgabe unserer Info-Broschüre „linksimrat“ veröffentlicht. Am 5. Mai hat die VVN-BdA Bochum an die Befreiung von Faschismus und Krieg vor 70 Jahren erinnert und eine Kundgebung zur Erinnerung an die Erschießungen von Widerstandskämpfern und Zwangsarbeitern kurz vor Kriegsende durchgeführt. Im Namen der Linksfraktion hat unser Ratsmitglied Horst Hohmeier zusammen mit der Bochumer Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen und dem Sprecher des Kreisverbandes Amid Rabieh einen Kranz niedergelegt. Am 30. April haben wir uns an den Protesten gegen die rassistische Hetze der NPD in Bochum und Wattenscheid beteiligt und Live von den Anti-Nazi-Kundgebungen berichtet.

 

9. Nicht vergessen: „NSU-Komplex auflösen!“ am 12. Mai

Nicht erst seit den jüngsten Festnahmen unter anderem in Bochum-Wattenscheid fordert die Bochumer Linksfraktion eine stärkere Auseinandersetzung mit der Gewalt extrem rechter Netzwerke. Am Dienstag, den 12. Mai 2015 laden wir zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema Rechtsterrorismus ein. Mit dem 8. Mai 1945 ist der nationalsozialistische Terror nicht verschwunden. In der Bundesrepublik sind bis heute rechtsterroristische Netzwerke aktiv. Die Initiative Keupstraße ist überall und das Projekt NSU-Watch streiten für die Unterstützung und die Selbstorganisation der vom NSU-Terror Betroffenen, für die Aufklärung der NSU-Verbrechen und die Auflösung des Verfassungsschutzes. Schließlich hat der deutsche Inlandsgeheimdienst die gewaltbereite rechte Szene über Jahrzehnte durch Zahlungen an V-Leute mitfinanziert, und weitere Verstrickungen sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Auf der Veranstaltung stellen sich die Initiativen vor und diskutieren die Perspektiven für die zukünftige Arbeit, auch nach dem Ende des NSU-Prozesses.

Datum: Dienstag, 12. Mai 2015
Uhrzeit: 19:30 Uhr
Ort: ver.di Bezirk Bochum-Herne, Universitätsstr. 76, 44789 Bochum

Eine Veranstaltung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „70. Jahrestag – Befreiung von Faschismus und Krieg“. VeranstalterInnen: DIE LINKE. im Rat der Stadt Bochum, DIE LINKE. Kreisverband Bochum, Sevim Dağdelen, Mitglied des Bundestages. Infos zur Veranstaltung.

 

Nichts mehr verpassen: Jetzt den E-Mail-Newsletter der Linksfraktion abonnieren!