Newsletter 8/2017 (Dezember)

Liebe Leser*innen,

kurz vor Jahresende ist der Bochumer Rat zu seiner wichtigsten Sitzung in diesem Jahr zusammengekommen. Auf der Tagesordnung stand die Verabschiedung des Haushalts für die Jahre 2018 und 2019, und damit auch gleichzeitig die Fortschreibung eines Konzepts mit weiteren rot-grünen Kürzungs- und Privatisierungsvorschlägen. In diesem Newsletter berichten wir über die Beschlüsse im Rat und aus den Ausschüssen – und davon, was in den vergangenen Wochen in Bochum politisch sonst noch so passiert ist.

Die Themen im Einzelnen:

1. Rot-Grün setzt Doppelhaushalt und Kürzungskonzept durch
2. So wirkt unsoziale Politik: Frauenhaus, Wohnungsmarkt und Hartz-IV
3. Sozialticket abschaffen? Nicht mit uns!
4. Anträge für eine sozial-ökologische Verkehrswende
5. Wofür Geld da ist: „Smarte“ Auto-Parkplätze statt intelligente Verkehrspolitik
6. Nachgehakt: Strom-/Gassperren, Zwangsräumungen, ESF-Projekte, Schulen
7. Empfang der Bochumer Bewegungen: Wir sagen Danke!

 

1. Rot-Grün setzt Doppelhaushalt und Kürzungskonzept durch

Trotz aller Kritik hat die rot-grüne Koalition ihren Plan durchgesetzt, einen städtischen Haushaltsplan für gleich zwei Jahre zu beschließen. Außerdem haben die SPD und die Grünen ein sogenanntes „Haushaltssicherungskonzept“ durch den Rat gestimmt, das weitere massive Kürzungen von öffentlichen Leistungen vorsieht. In seiner Haushaltsrede hat unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange die Pläne auseinandergenommen: „Seit 2006 sind im Ergebnis bereits 440 Stellen gekürzt worden, die an allen Ecken und Enden fehlen. Das merken wir an den Wartezeiten in den Bürgerbüros und im Ausländeramt, an den Überlastungsanzeigen und an dem Krankenstand in der Verwaltung, und überall da, wo Sie Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger einschränken, weil das Personal fehlt. Dass jetzt 47 Stellen neu berücksichtigt sind, ändert nichts an dieser Grundtendenz. Schließlich wollen Sie in den kommenden vier Jahren 200 weitere Stellen abbauen. Diese Personalpolitik der fortgesetzten Stellenstreichung halten wir für untragbar.“

Angesichts dessen bezeichnete Ralf-D. Lange es als einen „erstaunlichen Vorgang“, dass trotz alledem im Büro des Oberbürgermeisters Stellen für Leute aus dem SPD-Wahlkampfteam von Thomas Eiskirch geschaffen worden sind. Scharf kritisierte Lange weiter die Outsourcing-Pläne beim städtischen Reinigungspersonal: „Und als wäre es nicht schon schlimm genug, den städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern private Billigkonkurrenz vor die Nase zu setzen, um den Druck zu erhöhen: Sie wollen neue Reinigungskräfte, welche die Stadt trotzdem noch selbst einstellt, außerdem ebenfalls schlechter bezahlen als bisher! Bis 2022 soll sich die jährliche Kürzungssumme durch schlechtere Bezahlung der städtischen Reinigungskräfte noch einmal verdoppeln! Das ist nur ein Beispiel für die soziale Kälte der Kürzungspolitik dieser Koalition. Es ist völlig klar, dass wir dem nicht zustimmen können.“ Die Rede im Wortlaut. Bereits im Vorfeld hatten wir die Machtverschiebung weg von den gewählten politischen Gremien hin zur Verwaltung kritisiert, die mit der Verabschiedung eines Haushalts gleich für zwei Jahre einhergeht. „Ich kann verstehen, dass Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und die rot-grüne Koalition lieber vermeiden wollen, sich jährlich für ihre unsoziale Haushaltsplanung und Privatisierungsvorhaben rechtfertigen zu müssen“, sagte Ralf-D. Lange. „Gemeinsam mit den Gewerkschaften und vielen Bochumer Verbänden und Initiativen werden wir dafür sorgen, dass dieser Plan nicht aufgeht.“ Mehr Infos.

 

2. So wirkt unsoziale Politik: Frauenhaus, Wohnungsmarkt und Hartz-IV

Die Kapazität des Bochumer Frauenhauses reicht nicht aus – das wird aus der Antwort auf unsere Anfrage deutlich, die wir im Rahmen der diesjährigen Haushaltsberatungen gestellt haben. Im Einzelnen teilt das Frauenhaus mit, dass in diesem Jahr die „Aufnahmekapazität aufgrund des hohen Unterstützungsbedarfes häufig ausgeschöpft war“. Einer der Gründe: „Die Aufenthaltszeiten haben sich in diesem Jahr deutlich erhöht, da unsere Bewohnerinnen große Schwierigkeiten haben, auf dem Wohnungsmarkt günstige, den Mietpreisobergrenzen des Jobcenters entsprechende Wohnungen zu finden. Die Fluktuation war damit nicht so hoch wie in den vergangenen Jahren. Aufgrund von diversen Wasserschäden konnten wir in diesem Jahr ebenfalls Zimmer nicht belegen. Die Notwendigkeit in ein neues Haus zu wechseln wird immer dringender. Doch auch hier zeigen sich noch große Finanzierungslücken.“ Die Antwort im Wortlaut.

Angesichts dessen fordern wir natürlich weiterhin eine bessere Finanzierung des Bochumer Frauenhauses, für die wir uns bereits in der Vergangenheit eingesetzt haben. Außerdem sagen wir: Die Verwaltung muss den Plan unbedingt zurücknehmen, die Mietpreisobergrenzen für Bezieher*innen von Sozialleistungen in Bochum noch weiter zu senken! Denn wie bereits berichtet hat die Verwaltung unlängst ein neues „schlüssiges Konzept zur Angemessenheit von Unterkunftskosten“ vorgelegt. Damit sollen die gewährten Kosten der Unterkunft bei allen Haushaltsgrößen abgesehen von Single-Haushalten weiter zusammengestrichen werden. Davon wären auch von Gewalt betroffene Frauen mit Kindern unmittelbar betroffen – und natürlich auch alle anderen, die ALGII, Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter beziehen. Als Linksfraktion sehen wir uns in unserer Position bestätigt: Dieses Sozialkürzungskonzept ist weder „schlüssig“, noch darf es umgesetzt werden. Dafür werden wir weiter Druck machen. Mehr Infos.

 

3. Sozialticket abschaffen? Nicht mit uns!

Als Linksfraktion unterstützen wir den Kampf um den Erhalt und den Ausbau des Sozialtickets für Bus und Bahn – auf der Straße und in den politischen Gremien. Nach einem riesigen Proteststurm hat die Landesregierung ihre Pläne zumindest erstmal verschoben, die Landesförderung für das Ticket zu streichen. Dennoch kam der Bochumer Rat nicht drumrum, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Während die SPD, die Grünen und die CDU lediglich Placebo-Anträge präsentierten, forderten wir in unserem Antrag, dass sich die Bochumer Vertreter*innen in den VRR- und Bogestra-Gremien aktiv an der Weiterentwicklung des Sozialtickets beteiligen sollen, um das Ticket für alle bezahlbar zu machen. Unser Antrag im Wortlaut.

Wir erinnerten insbesondere die CDU und die Grünen daran, dass die schwarz-grüne-Koalition im VRR in ihrem Koalitionsvertrag ursprünglich ein Sozialticket angekündigt hatte, das in seiner günstigsten Variante 15 Euro kostet. Stattdessen muss aktuell 37,80 Euro im Monat dafür bezahlt werden – viel mehr, als im Hartz-IV-Satz für Mobilität vorgesehen ist. In der Debatte im Rat kritisierte Gültaze Aksevi den Umgang der Bochumer SPD und Grünen mit dem Thema: „Wollen Sie das Thema ins Lächerliche ziehen? Sie reichen jetzt fast wortgleich einen ziemlich inhaltsleeren CDU-Antrag ein. Als die CDU den zur Abstimmung stellen wollte, hatten Sie zu Recht gesagt: Der Antrag ist Quatsch, denn der Rat hat ja auf Initiative der Linksfraktion schon längst eine inhaltlich viel weitergehende Positionierung beschlossen. Dann ist die CDU wohl aus Düsseldorf zurückgepfiffen worden und hat ihren Antrag zurückgezogen. Und jetzt finden Sie von SPD und Grünen es wohl witzig, ihn nochmal einzureichen, um die CDU zu ärgern. Meine Damen und Herren, ich finde, mit diesem Antragstheater werden Sie der Ernsthaftigkeit des Themas nicht gerecht. Die mögliche Abschaffung des Sozialtickets betrifft hier in Bochum Zehntausende, und so viele weitere sind bereits jetzt vom Sozialticket ausgeschlossen, weil sie es sich nicht leisten können.“ Da ein neuer Beschluss nur sinnvoll ist, wenn damit auch etwas Neues beschlossen wird, haben wir für unseren Antrag geworben. Jedoch weigerte sich die rot-grüne Koalition dafür zu stimmen, die Verwaltung und die Bochumer Vertreter*innen in den VRR- und Bogestra-Gremien aufzufordern, sich aktiv an der Weiterentwicklung des Sozialtickets zu beteiligen. Auch wollten die SPD, die CDU und die Grünen sich nicht für eine sozial gerechte Umstrukturierung der ÖPNV-Finanzierung aussprechen.

Insgesamt haben wir schon lange vor einer möglichen Abschaffung des Sozialtickets gewarnt. So verabschiedete der Bochumer Rat bereits im August auf unsere Initiative hin eine Resolution zum Erhalt des Sozialtickets. Nach der Ankündigung der Landesregierung, jetzt Ernst zu machen, haben wir gefordert: Die städtischen Verantwortlichen in Bochum müssen sich dem Protest gegen den Sozialticket-Kahlschlag anschließen. Gleichzeitig haben wir einen Info-Flyer zum Kampf um das Sozialticket veröffentlicht. Wir freuen uns sehr, dass der vielfältige Protest dazu geführt hat, dass die Landesregierung nun einen Rückzieher machen musste. Aber: Anders als manche Presseberichte den Eindruck erwecken, sind mögliche Kürzungen in den kommenden Jahren dadurch längst nicht vom Tisch. Deshalb machen wir natürlich weiter: Das Sozialticket muss dauerhaft erhalten bleiben und günstiger werden! Vielen Dank an die Basis-Aktiven der Bochumer LINKEN, die dabei geholfen haben, unseren Info-Flyer in den Stadtteilen unter die Leute zu bringen! Mehr Infos.

 

4. Anträge für eine sozial-ökologische Verkehrswende

Mit zwei weiteren Anträgen haben wir uns diesen Monat für eine soziale und ökologische Verkehrswende eingesetzt. Erstens dafür, dass sich die Verkehrssituation rund um die Bochumer Schulen verbessert: Wir haben beantragt, dass das städtische Mobilitätskonzept bis Ende des kommenden Jahres um entsprechende Kapitel erweitert wird. „Die Stadt sollte das Jahr 2018 dazu nutzen, um Gefahrenstellen für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen rund um die Schulen zu identifizieren“, sagte Sabine Lehmann, Vertreterin der Linksfraktion im Mobilitätsausschuss. „Wir brauchen einen Plan, wie dort Abhilfe geschaffen werden kann, genauso wie eine Übersicht darüber, an welchen Schulen Fahrradabstellanlagen ergänzt werden müssen, und wo zum Beispiel noch Tempo-30-Zonen fehlen. Die Stadt sollte außerdem die Bildung von Schulweggemeinschaften besser fördern, um den Verkehr zu reduzieren. Auch eine Überprüfung, wo zu den Stoßzeiten wieder mehr Busse eingesetzt werden müssen, ist dringend notwendig.“ Unser Antrag im Wortlaut. Leider sorgte die rot-grüne Rathauskoaliton mit ihren Stimmen dafür, dass es für unseren Antrag keine Mehrheit gab. Mehr Infos.

Zweitens haben wir einen Änderungsantrag zur strategischen Weiterentwicklung des Radverkehrs in Bochum in den Rat eingebracht. Damit wollen wir unter anderem erreichen, dass die Verwaltung einen detaillierteren Radwege-Netzplan erstellt. Aus der Darstellung soll ersichtlich werden, auf welchen Straßenabschnitten es keine eigenständige Radverkehrsführung gibt, damit dort etwas gegen die Gefährdung von Radfahrer*innen unternommen werden kann. Außerdem fordern wir Maßnahmen für sicheres und komfortables Radfahren auf dem Innenstadtring, sowie öffentliche Toiletten, Papierkörbe und Pannenstationen (Schlauch- und Flickzeugautomaten, Pressluft) an den Bochumer Freizeit- und Radschnellwegen. Der Antrag im Wortlaut.

 

5. Wofür Geld da ist: „Smarte“ Auto-Parkplätze statt intelligente Verkehrspolitik

Die SPD und die Grünen haben dagegen einen Modellversuch beantragt, um Auto-Parkplätze in Bochum mit Sensoren auszustatten. Dadurch sollen freie Parkplätze unter anderem in einer Smartphone-App gemeldet werden. Finanziert werden soll das im Rahmen der sogenannten Bochum Strategie 2030 (Kompetenzfeld „Großstadt mit Lebensgefühl“, Kernaktivität „Smart Living – intelligente Stadt“), für die in 2018 und 2019 insgesamt 240.000 Euro eingeplant sind. Kommt es tatsächlich zu diesem Versuch, werden demnächst also vermehrt handydaddelnde Autofahrer*innen in der Innenstadt ihre Kreise ziehen und sich zielgerichteter von verschiedenen Seiten auf freie Parkplätze stürzen. Auf der Sitzung fragte Sabine Lehmann für unsere Fraktion, ob die Stadt Bochum nicht intelligenter wäre, wenn sie das Geld für ticketlose Busse und Bahnen und kürzere Takt-Zeiten im ÖPNV ausgeben würde. Und ob es nicht smart wäre, alle öffentlichen Parkplätze in der Peripherie mit Radverleihstationen auszustatten, und ob man das Lebensgefühl in Bochum nicht noch mehr steigern könnte mit einem flächendeckenden Tempo 30. Mehr Infos.

 

6. Nachgehakt: Strom-/Gassperren, Zwangsräumungen, ESF-Projekte, Schulen

Zu dieser Ratssitzung haben wir außerdem noch folgende Anfragen eingereicht:

  • Wir wollen wissen, wie viele Gas- und Stromsperrungen wegen Zahlungsversäumnis es in den Jahren 2016 und 2017 bei den Stadtwerken gegeben hat. Weiter fragen wir an, welche Maßnahmen ergriffen werden, um Zahlungsrückstände zu verhindern oder zu klären, und ob die Stadtwerke zumindest prüfen, dass keine Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen von der Abschaltung von Strom und Gas betroffen sind. Zur Anfrage.
  • Wir fragen an, wie viele Wohnungs-Zwangsräumungen 2016 und 2017 in Bochum angesetzt und durchgeführt worden sind, und aus welchen Gründen. Auch wollen wir wissen: Wie viele der Zwangsräumungen betrafen Wohnungen der halbstädtischen VBW – Bauen und Wohnen? Kam es nach Informationen der Stadt zu Verzweiflungstaten der von Zwangsräumung Betroffenen (z.B. Suizide, Suizidversuche, Selbstverletzungen)? Wenn ja, wie häufig? Zur Anfrage.
  • Wie wir aus Kreisen des Arbeits- und Sozialministeriums in Düsseldorf erfahren haben, soll die schwarz-gelbe Landesregierung beabsichtigen, keine Projekte mehr neu zu bewilligen, die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert werden. Betroffen sein sollen insbesondere auch ESF-geförderte Projekte aus dem Programm „Starke Quartiere – starke Menschen“. Wir wollen wissen, was die Stadt Bochum darüber weiß, und wie die Verwaltung damit umgehen will. In diesem Zusammenhang bitten wir auch um eine Übersicht über alle Projekte, die in unserer Stadt aktuell eine ESF-Förderung erhalten. Außerdem fragen wir an, wie viele Arbeitsplätze bei den Trägern und Stadt von solch einer Entscheidung betroffen wären. Zur Anfrage.
  • In der Stadt Hagen wurde die ehemalige Förderschule Wilhelm Busch als reine Schule für zugewanderte Kinder wiedereröffnet. Diese Form der Exklusion ist aus didaktischen und pädagogischen Gründen abzulehnen. Inklusion und Integration waren bisher die Leitideen der Bochumer Gesamtschulen. Inzwischen haben aber schon einige Gymnasien und Sekundarschulen eigene Flüchtlingsklassen gebildet. Daher wollen wir wissen, ob es Pläne gibt eine Schule ähnlich wie in Hagen-Halden auch in Bochum zu eröffnen. Außerdem wollen wir wissen, welche Schulen in Bochum bisher eigene Flüchtlingsklassen gebildet haben. Zur Anfrage.

 

7. Empfang der Bochumer Bewegungen: Wir sagen Danke!

Toll, dass so viele unserer Einladung gefolgt sind: Mit einem Empfang am 4. Dezember wollten wir uns bei allen bedanken, die sich hier bei uns in Bochum für eine soziale, demokratische und vielfältige Stadt engagieren. Denn gerade jetzt, wo der gesellschaftliche Rechtsruck in den Parlamenten angekommen ist, ist die Arbeit der Bochumer Bewegungen, Verbände, Vereine, Initiativen und Organisationen so unglaublich wichtig. Vielen Dank an alle für die guten Gespräche und Impulse – gemeinsam sind wir stark! Hauptredner des Abends war Thomas Röll, Geschäftsführer Der Paritätische Bochum, der über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen beim Kampf gegen Armut im Ruhrgebiet berichten berichtet hat. Fotos von der Veranstaltung.

 

Die Fraktion DIE LINKE. im Rat der Stadt Bochum wünscht schöne Feiertage und einen guten Rutsch!

 

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