Haushaltsrede von Ralf-D. Lange, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. im Rat der Stadt Bochum, 27.01.2016
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,
auf der vergangenen Ratssitzung haben Sie bereits gegen unsere Stimmen ein umfangreiches Gebührenerhöhungspaket verabschiedet, das die Bochumerinnen und Bochumer zusätzlich belastet. Jetzt soll ein Haushalt folgen, mit dem sich die Kürzungspolitik der vergangenen Jahre fortsetzt – und damit die finanzielle Abwärtsspirale. Immer wieder heißt es, die Stadt komme um das Streichen und Kürzen nicht herum, so lange es keine sozial gerechte Steuerpolitik gibt, die für die notwendigen Einnahmen sorgt, die eine Kommune wie Bochum braucht. Außerdem hören wir immer wieder: Eine solche Politik sei alternativlos, solange Bund und Land nicht alle Aufgaben vollständig gegenfinanzieren, die sie an die Kommune weitergeben.
Dazu ist Folgendes zu sagen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD, CDU, Grünen und auch der FDP: Es sind die Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Parteien, die in Berlin und Düsseldorf für diese falsche Politik verantwortlich sind und waren. Es bleibt eine durchschaubare Aufgabenteilung, wenn Sie einerseits Teile dieser Zustände kritisieren, und beim nächsten Landtags- oder Bundestagswahlkampf doch wieder Werbung für die machen, die dafür verantwortlich sind.
Es wird viel darüber gesprochen, dass die Stadt „sparen“ muss. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Sparen und Kürzen: Wer etwas spart, baut eigenen Besitz auf, der später genutzt werden kann. Was Sie hier machen, ist aber genau das Gegenteil: Nichts wird gespart, also für später zur Seite gelegt, sondern im Gegenteil: Durch Ihre Kürzungspolitik wird die kommunale Substanz immer weiter abgebaut! Das ist unsere zentrale Kritik an der Haushaltspolitik der rot-grünen Rathauskoalition: Was Sie uns als „Haushaltssicherungskonzept“ verkaufen wollen, sichert den Haushalt keineswegs, sondern trägt zur Zunahme von Unsicherheit, Unterversorgung und Prekarisierung in unserer Stadt bei.
Ein Beispiel dafür ist Ihre Personalpolitik. Die Gewerkschaften weisen zu Recht darauf hin, dass zum Beispiel bei der Feuerwehr und im Jugend- und Sozialbereich, aber auch in diversen anderen Bereichen Neueinstellungen dringend notwendig wären, um den aktuellen Personalmangel zu beseitigen. Stattdessen halten Sie am Personalkostendeckel und damit sogar am Abbau von städtischen Arbeitsplätzen fest. Sie besetzen frei werdende Stellen nicht neu, obwohl kommunale Aufgaben zunehmen und nicht weniger werden. Sie verdichten damit die Arbeit für die übrig bleibenden Beschäftigten, die jetzt schon in vielen Bereichen am oder über dem Limit arbeiten.
Sicherlich haben Sie die Antwort der Verwaltung auf unsere Anfrage zu Krankenstand, Mehrarbeit und den Belastungsanzeigen bei den städtischen Beschäftigten zur Kenntnis genommen. Die ist nämlich überaus besorgniserregend. Bereits jetzt werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Bochum mehr als doppelt so häufig krank wie der Durchschnitt in den gesetzlichen Krankenversicherungen. Ein Krankenstand von mehr als acht Prozent statt durchschnittlich weniger als vier Prozent – auch das ist eine Folge von Arbeitsverdichtung.
Die aufgelaufene Mehrarbeit der städtischen Beschäftigten lag zum Ende der vergangenen Jahre jeweils bei mehr als 20.000 Arbeitstagen. Dazu kommt die Zahl der nicht genommenen Urlaubstage, die sich zum Jahresende ebenfalls regelmäßig auf über 20.000 Tage summiert. Trotz diverser Belastungsanzeigen setzt bei Ihnen aber kein Umdenken ein. Sie halten an dem Personalkostendeckel fest, der die Lage weiter verschlimmert.
Und Sie forcieren damit Outsourcing. Wenn der Technische Betrieb der Stadt oder die Rathaus-IT wegen Personalmangels teure Fremdfirmen beauftragen müssen, obwohl eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter günstiger wären, dann steigen die Kosten. Deswegen bleiben wir dabei: Die Personalaufwandsbudgetierung führt zum Kompetenzabbau bei der Stadt und ist außerdem untaugliches Mittel zur Sanierung des Haushalts – und deshalb gehört sie abgeschafft!
Besonders schlimme Folgen hat die Bochumer Personal- und Haushaltspolitik im Bereich der Betreuung von Geflüchteten. Gerade einmal 20 städtische Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind für die über 5.000 Menschen zuständig, die in unserer Stadt Schutz vor Krieg, Gewalt und blanker Not suchen.
Und jetzt sollen nach Vorstellung der Verwaltung auch noch alle städtischen Flüchtlingsunterkünfte an freie Träger abgegeben werden. Die sollen dann wiederum Security- und Cateringfirmen quasi als Subunternehmen beschäftigen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Großteil der freien Träger leistet hier in Bochum im Rahmen ihrer Möglichkeiten gute Arbeit. Die Zusammenarbeit mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege und ihre Förderung sind wichtig und unverzichtbar. Aber: Trotzdem ist es doch grundfalsch, den Kompetenzabbau bei der Stadt durch Outsourcing weiter voran zu treiben – und zwar erst Recht, wenn Sie noch nicht einmal ausschließen wollen, dass Bochumer Unterkünfte sogar an kommerzielle und rein profitorientierte Unternehmen abgegeben werden könnten.
Und wenn mit dem Outsourcing noch nicht einmal Kosten gesenkt werden, dann liegt die Vermutung nahe, dass das vor allem ideologisch begründet ist. Eigentlich ist es Aufgabe der Stadt, selbst gute und dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen und damit für andere Teile der Gesellschaft eine Vorbildfunktion einzunehmen. Sie tun das Gegenteil und setzen auf Personalabbau und immer mehr befristete Beschäftigung.
Leider ist es wie so häufig: Die Absurdität Ihrer Haushaltspolitik trifft diejenigen in unserer Stadt am härtesten, denen es sowieso schon am schlechtesten geht. Das zeigt sich auch am Beispiel der Wohnungs- und Unterbringungspolitik. Die Stadt mietet Wohncontainer und Zelthallen an, in denen Geflüchtete unter menschenunwürdigen Bedingungen auf engstem Raum in Massenunterkünften leben müssen. Dabei ist das absurd teuer: Die Stadt bezahlt dafür zwischen 24 und 60 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Monat. Wir haben das mal durchgerechnet: Laut Verwaltung stehen in Bochum fast 9.000 Wohnungen leer. Wenn die Stadt jetzt leerstehende Wohnungen aufkaufen und wo nötig selbst neue bauen würde, dann könnte sie einer vierköpfigen Flüchtlingsfamilie eine Wohnung mit 24 Quadratmetern pro Person zur Verfügung stellen – statt eines Containers mit nur 6,6 Quadratmetern pro Person. Und trotzdem hätte sich der Kauf oder Neubau dieser Wohnung innerhalb von zehn bis zwölf Jahren komplett refinanziert – allein dadurch, dass die absurd teuren Wohncontainer nicht mehr gebraucht würden.
Deshalb fordern wir vehement den Aufbau eines kommunalen Wohnungswesens – als sozialpolitische und gleichzeitig haushaltspolitische Maßnahme. Das ist ein Beispiel für den grundsätzlichen Politikwechsel, für den wir eintreten: Schluss mit der Kürzungspolitik, denn die Folgekosten der Kürzungen kommen uns teuer zu stehen. Stattdessen brauchen wir einen Haushalt, der nach dem Prinzip „Sparen durch Investieren“ funktioniert – nicht nur in Bezug auf den kommunalen Wohnungsbau. Denn niemand von Ihnen wird leugnen können: Sanierungsstau bei der öffentlichen Infrastruktur spart ja überhaupt nichts, sondern sorgt nur dafür, dass alles noch teurer wird.
Das zeigt sich auch am Zustand und der Ausstattung an unseren Schulen. Auch hier weisen die Schüler*innen und Elternverbände sowie die GEW schon seit Jahren auf die unhaltbaren Zustände hin, ohne dass sich grundlegend etwas verbessert. Der Sanierungsstau und Rückbau von Schul- und Raumkapazitäten fällt uns spätestens jetzt auf die Füße.
Es gibt Bereiche, wo nach Herzenslust gespart werden könnte: beim CO2-Ausstoß, bei der Lärmbelastung und beim Platzverbrauch – wenn ein signifikanter Anteil des innerstädtischen Verkehrs vom Kfz auf das Fahrrad verlagert würde. Dazu hat sich Bochum zwar offiziell bekannt, aber Ihr Haushaltsentwurf sieht für 2016 lediglich 120.000 Euro für den Radwegeneubau und 100.000 Euro für die Radwegmarkierung auf dem Wattenscheider Hellweg vor. Das ergibt zusammen gerade mal einen Betrag von sage und schreibe 61 Cent pro Einwohner im Jahr!
Aber das sind nur Beispiele für die Ungereimtheiten in der Bochumer Haushaltspolitik. Im Grunde genommen geht es uns um das Große und Ganze. Der vorliegende Haushaltsentwurf setzt die unsoziale Kürzungspolitik fort, gegen die wir angetreten sind. Und deshalb werden wir als LINKE dieser völlig falschen Personalabbau-, Outsourcing- und Kürzungspolitik nicht zustimmen. Stattdessen kämpfen wir weiter für einen grundsätzlichen Politikwechsel in Bochum. Der muss allerdings auf allen politischen Ebenen erkämpft werden – auf Landes- und Bundesebene, aber eben auch bei uns vor Ort.
Ich danke Ihnen.