Rede von Ralf-D. Lange, Vorsitzender der Linksfraktion, zu Tagesordnungspunkt 1.16: „Wochenmärkte in Bochum“, Ratssitzung am 17.12.2015
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,
wir sollen heute die Verwaltung beauftragen, eine Dienstleistungskonzession an einen privaten Bewerber für die Durchführung der Bochumer Wochenmärkte zu erteilen, wie es in der Beschlussvorlage heißt. Über die Ergebnisse sollen wir nur noch informiert werden. Danke!
Meine Fraktion wird gegen diesen Antrag stimmen. Gerade in einer Zeit, in der der Trend wieder zu Wochenmärkten geht, wollen Sie privatisieren. Wo Verbraucherinnen und Verbraucher verstärkt regionale Produkte nachfragen, in Bio-Qualität von Erzeuger*innen, die sie persönlich kennen. Ganz zu schweigen davon, wie wichtig diese Wochenmärkte für die Nahversorgung, die Stadtteilbelebung und die Kommunikation in den Stadtteilen sind. Wochenmärkte sind ein Kulturgut, wie es in der Vorlage der Verwaltung ganz richtig heißt.
Wir sagen auch nein zu der Privatisierung, weil damit ein Arbeitsplatzabbau bei den städtischen Angestellten einhergeht. Mindestens zwei Stellen sollen gestrichen werden, so steht es in der Vorlage. Wir glauben, dass es damit noch nicht zu Ende ist, fallen doch wichtige und vorbereitende Aufgabengebiete im Ordnungsamt ebenfalls weg. Wir sagen auch nein, weil damit ein Kompetenzabbau bei der Stadt einhergeht. Wir glauben, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung durchaus das Wissen und die Fähigkeiten haben, die Wochenmärkte in Bochum zukunftsfähig und interessant zu gestalten.
Tun Sie doch nicht immer so, als sei der öffentliche Sektor dumm und die Privaten die Schlauen! In der Verwaltungsvorlage und beim Vergleich mit anderen Städten stehen doch jede Menge Verbesserungsvorschläge und innovative Ideen drin. Die muss man doch nur mal umsetzen. Und wir sind sicher: Das können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Stadt!
Und noch was: Angeblich wollen sie außer Personal auch noch Geld sparen. Aber wenn wir für die geplanten nächsten fünf Jahre auf die Konzessionärsabgabe verzichten, sehe ich da keine große Veränderung auf der Einnahmeseite. Zudem ja auch noch völlig unsicher ist, ob in Zukunft auch der USB den Zuschlag für die Platzreinigung bekommt. Das wäre letztlich ein Einnahmeverlust von fast einer halben Millionen für unsere städtische Tochter.
Zu Recht haben die verschiedenen Bezirksvertretungen diverse Einwände erhoben: Fast allen war dabei besonders wichtig, dass gerade die kleinen und derzeit nicht so lukrativen Märkte in den Stadtteilen erhalten bleiben und die örtlichen Werbegemeinschaften nicht aus dem Rennen sind. Auch dies würde die Stadt bei einer Privatisierung aus der Hand geben. In der Verwaltungsvorlage steht dort ziemlich deutlich: „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass nicht alle Märkte als zukunftsfähig anzusehen sind bzw. erhalten werden können.“
Ganz zu schweigen von dem zukünftigen Namensrecht für unsere Märkte: Vielleicht werden ja demnächst alle Märkte in Bochum nach kriegstreiberischen Militaristen benannt, so wie das nach der Privatisierung des Marktes auf dem Springerplatz trotz massivem Protest geschehen ist. Ein Radetzky Markt, ein Hindenburgmarkt oder ein von Lettow-Vorbeck Markt wären in Zukunft in Bochum nicht zwingend ausgeschlossen, wenn’s dem Marketing dient. Denn machen wir uns nichts vor: Private Betreiber haben vor allem das Interesse, möglichst viel Geld zu verdienen. Das Interesse der Stadt oder der Allgemeinheit muss im Zweifel hinten anstehen.
All das wollen wir nicht! Vor allem geht es aber darum: Wochenmärkte sind wichtige öffentliche Räume in unserer Stadt. Marktplätze sind, wenn sie gut funktionieren, Stadtteilzentren. Das Schwinden des öffentlichen Raumes durch die Ausbreitung von Räumen unter privater Kontrolle ist aktuell ein großes Thema in den bundesweiten Debatten über Stadtplanung. In privaten Räumen werden Menschen stärker ausgegrenzt, die nicht konsumieren können oder wollen. Private Räume sind noch stärker als öffentliche demokratischer Mitbestimmung entzogen.
Wir sagen: Was in den Zentren unserer Stadtteile Woche vor Woche auf öffentlichen Plätzen passiert, muss öffentlich bleiben! Und wir sagen auch und ganz besonders Nein zu dem Änderungsantrag der FDP und Stadtgestalter, die diese Aufgabe gleich auf mehrere Interessenten verteilen wollen. Ein neoliberaler Verdrängungswettbewerb, in denen die einzelnen Bochumer Wochenmärkte in Konkurrenz zueinander gesetzt werden, anstatt sie gemeinsam und gleichberechtigt als Teil einer öffentlichen Infrastruktur zu entwickeln und zu stärken, das kann doch allenfalls im Interesse der großen Supermarktketten sein.
Im Interesse der Bochumerinnen und Bochumer ist das sicherlich nicht.
Wir halten es für einen großen Fehler, den Gestaltungsspielraum über das, was Woche für Woche auf Märkten passiert, aus der Hand zu geben. Deswegen kann ich nur an Sie appellieren, der Verwaltung jetzt nicht einfach so einen Freibrief zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession zu erteilen, sondern die Beschlussvorlage abzulehnen. Ich danke Ihnen.