Kein „grundsicherungsrelevanter Mietspiegel“ – und schon gar nicht ohne politischen Beschluss!

Die Linksfraktion im Bochumer Rat ist aktiv gegen weitere Sozialkürzungen zu Lasten von ALGII-EmpfängerInnen. Für die kommende Ratssitzung am 12. November hat sie beantragt, dass die Stadtverwaltung keinen Auftrag zur Erstellung eines „grundsicherungsrelevanten Mietspiegels“ vergeben darf, ohne dass es einen vorherigen politischen Beschluss dafür gibt. Mit dem Antrag will die Linksfraktion diese undemokratische Entwicklung stoppen und eine breite Diskussion über Alternativen ermöglichen.

mieter1Bereits mehrfach hatte die Linksfraktion kritisiert, dass die Stadt mit der Erstellung eines „grundsicherungsrelevanten Mietspiegels“ bis zu 1,38 Millionen Euro pro Jahr bei den Bochumer ALGII-EmpfängerInnen streichen will. Aus Aussagen von Sozialdezernentin Britta Anger war nun deutlich geworden, dass die Verwaltung damit begonnen hat, die von der Consultingagentur Rödl & Partner vorgeschlagene Sozialkürzung vorzubereiten, ohne dass es dafür einen Beschluss der politischen Gremien gibt. In einer ausführlichen Begründung ihres Antrags erklärt die Linksfraktion jetzt, warum die von der Verwaltung angestrebte Erstellung eines „grundsicherungsrelevanten Mietspiegels“ so problematisch ist:

„Richtig ist, dass die Stadt Bochum aktuell über kein rechtssicheres ’schlüssiges Konzept‘ zur Ermittlung der ‚angemessenen‘ Kosten der Unterkunft für SozialleistungsbezieherInnen verfügt. Es gibt aber große Bedenken gegen den Plan, ein solches Konzept auf Basis eines ‚grundsicherungsrelevanten Mietspiegels‘ zu erstellen. Ob das Konzept auf dieser umstrittenen Grundlage entstehen soll, ist eine politische Entscheidung, die nach Beratung und Abwägung von Alternativen in den politischen Gremien getroffen werden muss.

In einer Stellungnahme vom 23.02.2015 haben der Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e.V. sowie die Beratungsstelle für Arbeitslose des ev. Kirchenkreises Bochum den Vorschlag der Erstellung eines ‚grundsicherungsrelevanten Mietspiegels‘ wegen der zu erwartenden sozialen Folgen scharf kritisiert. In der Stellungnahme heißt es:

Die Erstellung eines ‚grundsicherungsrelevanten Mietspiegels’ würde dann zu unlösbaren Schwierigkeiten führen, wenn dieser parallel zu einem ‚mietrechtlich relevanten Mietspiegel’ existieren würde. Der qualifizierte Mietspiegel der Stadt Bochum entspricht §558 d BGB und ist damit alleinige Maßgabe für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Gebiet der Stadt Bochum. Eine nach ihm gebildete Miete muss vom Mieter akzeptiert und bezahlt werden. Käme ein ‚grundsicherungsrelevanter Mietspiegel’ zu einem anderen (niedrigeren) Ergebnis, hätte dies – mietrechtlich – keinerlei Relevanz, sondern würde lediglich dazu führen, dass der Leistungsempfänger eine Kostensenkungsaufforderung erhielte und ggf. umziehen müsste. Größere Umzugswellen waren in der Vergangenheit nicht gewollt und sollten – im Interesse einer ‚gesunden sozialen Mischung’ in den Wohnquartieren – auch in Zukunft vermieden werden.

1.4. Ein sogenannter ‚grundsicherungsrelevanter Mietspiegel‘ ist deshalb nicht das wichtigste Gebot der Stunde. Auch ein Mietspiegel, der sich in den Größenkategorien nach den Erfordernissen des SGB II /SGB XII richtet und sich noch expliziter auf ‚Schlichtwohnungen‘ bezieht, würde nichts darüber aussagen, in welcher Stückzahl die jeweiligen Wohnungen am Markt vorhanden sind. Wichtiger ist also eine Verfügbarkeitsanalyse unter dem Aspekt: Wie muss die Angemessenheit von Wohnraum inhaltlich definiert werden, damit eine genügend große Anzahl von Wohnungen für Transferleistungsempfänger zur Verfügung steht? Dies würde auch – anders als jeder Mietspiegel – der Rechtsprechung des BSG an ein ‚schlüssiges Konzept’ entsprechen.

Trotz dieser ernstzunehmenden Einwände will die Bochumer Verwaltung ohne politischen Beschluss der Empfehlung der Privatfirma Rödl & Partner folgen und einen „grundsicherungsrelevanten Mietspiegel“ erstellen lassen. Die Beratungsagentur Rödl & Partner bietet übrigens selbst die 50.000 Euro teure Dienstleistung an, die sie der Stadt Bochum empfiehlt. Sie hat in ihrem Gutachten außerdem in Aussicht gestellt, dass die Stadt mit einem sogenannten „grundsicherungsrelevanten Mietspiegel“ die Kostenübernahme für Wohnungen von Sozialleistungs-BezieherInnen deutlich absenken könne. Bis zu 1,38 Millionen Euro pro Jahr könnten so bei den Bochumer ALGII-EmpfängerInnen gestrichen werden, heißt es in einem Gutachten der Beratungsfirma. Daraus wird deutlich, dass die Befürchtungen des Mietervereins und der Beratungsstelle für Arbeitslose des ev. Kirchenkreises berechtigt sind, und dass es sich um einen weiteren Sozialkürzungsvorschlag handelt. EmpfängerInnen von Sozialleistungen müssten dann in kleineren und schlechter ausgestatteten Wohnungen als bisher leben und könnten sich Wohnungen in einigen Stadtteilen möglicherweise überhaupt nicht mehr leisten.

Die Linksfraktion im Bochumer Rat hat sich in der Vergangenheit bereits wiederholt gegen die weitere Kürzung von Sozialleistungen über die Erstellung eines so genannten „grundsicherungsrelevanten Mietspiegels“ ausgesprochen. Unstrittig sollte jedoch sein, dass es falsch wäre, wenn die Verwaltung eine sozialpolitisch so weitreichende Entscheidung wie die Auftragsvergabe zur Erstellung eines ‚grundsicherungsrelevanten Mietspiegels‘ ohne vorherige Diskussion, Abwägung von Alternativen und Beschluss der zuständigen politischen Gremien tätigt.“

Der Rat der Stadt Bochum wird über den Antrag am 12. November beraten. Der Antrag im Wortlaut.