Am Donnerstag, den 21. August wird Sozialdezernentin Britta Anger im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales (AGS) neue Zahlen zur Situation der Geflüchteten in Bochum vorstellen. Außerdem gibt es in den Ausschussunterlagen einige weitere flüchtlingspolitisch interessante Infos. Hiermit veröffentlichen wir eine Auswertung der Unterlagen mit den Punkten, die uns für die flüchtlingspolitische Debatte besonders wichtig erscheinen:
- Die Zahl der Geflüchteten, die es bis nach Bochum schaffen, ist aufgrund der menschenfeindlichen und tödlichen Abschottungspolitik weiterhin krass niedrig. Im vergangenen Monat (August 2017) sind gerade einmal 14 Menschen von der Bezirksregierung der Kommune zugewiesen worden. Zum Vergleich: Von Oktober 2015 bis Februar 2016 kamen hier monatlich zwischen 600 und 700 Menschen an.
- Im Zuge der Familienzusammenführung sind hier im vergangenen Monat ebenfalls nur 13 Menschen angekommen. Das ist in Anbetracht der vielen Neu-Bochumer*innen, die darum kämpfen, ihre Kinder und Lebenspartner*innen in Sicherheit zu bringen, ebenfalls beschämend. Zusammengenommen (Zuweisungen, Wiederaufnahmeverfahren, Familienzusammenführung) gibt es gerade einmal 40 neue Fälle. Folgeanträge wurden in den vergangenen beiden Monaten in Bochum überhaupt keine mehr gestellt.
- Insgesamt müssen in Bochum immer noch 3.086 Menschen in Containern, provisorischen Sammelunterkünften und „übergangsheimähnlichen Unterbringungen“ ausharren. Davon sind 1.039 Kinder und Jugendliche, also unter 18 Jahren alt. In dieser Zahl sind die Leute in der ZUE/EAE (Landesunterkunft) nicht eingerechnet.
- 519 Personen davon kommen aus Ländern, welche die Stadt und Politik als angeblich „sichere Herkunftsländer“ bezeichnen. Die meisten stammen aus Serbien (197) Albanien (109) und dem Kosovo (97).
- Ansonsten kommen die meisten Menschen in der kommunalen Unterbringung nach wie vor aus Syrien (829), Afghanistan (402) und dem Irak (349).
- Wichtige Info gegen rechte Schreihälse: In den Sammelunterkünften sind aktuell auch 73 Deutsche untergebracht. Das sind vor allem Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, die dringend zuhause raus mussten oder die zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit dringend übergangsweise eine Bleibe brauchten. Das rassistische Gerede nach dem Motto „Für die Flüchtlinge baut man ganze Unterkünfte, und um die Deutschen wird sich nicht vergleichbar gekümmert“ ist und bleibt totaler Quatsch. Bei Bedürftigkeit wird natürlich kein Unterschied zu Lasten von Deutschen gemacht – im Gegenteil: So erhalten die Deutschen nach SGBII/SGBXII sogar deutlich mehr Leistungen als Geflüchtete nach dem AsylbLG, und anders als viele Geflüchtete müssen sie nicht jahrelang in den engen Sammelunterkünften wohnen.
- Im August hat es erneut fünf Abschiebungen aus Bochum gegeben, 10 Menschen sind „ausgereist“, also wohl größtenteils vertrieben worden.
- Bereits im Juni 2016 (also vor weit mehr als einem Jahr!) hat die Linksfraktion eine umfangreiche Anfrage im Rat zum Internetzugang in den Geflüchtetenunterkünften gestellt. Bis jetzt weigerte sich die Verwaltung, die Fragen zu beantworten. Die Antworten hätten die Stadt auch ziemlich schlecht dastehen lassen, da sie es trotz massiver ehrenamtlicher Unterstützung durch Freifunk-Aktivist*innen nicht geschafft hatte, das Grundrecht auf Informationsfreiheit zu gewährleisten. Jetzt hat sich – wiederum dank massiven ehrenamtlichen Engagements – zumindest etwas getan Die Stadt berichtet, dass fünf der 14 Bochumer Sammelunterkünfte zumindest WLAN für die Heimverwaltung bzw. Sozialarbeiter*innen anbieten, und dass in sechs der 14 Unterkünfte eine Freifunk-Versorgung für die Bewohner*innen gewährleistet sei. Damit haben aktuell rund die Hälfte der in den Sammelunterkünften lebenden Geflüchteten via WLAN Zugang zum Internet. In den fehlenden acht Unterkünften soll die Freifunk-Versorgung demnach noch in diesem Monat hergestellt werden. Also: Gut, dass sich hier endlich was tut – aber schlecht, dass die Verwaltung trotz aller ehrenamtlichen Unterstützung durch Freifunk Bochum Jahre brauchte, um das Problem zu lösen.
- Aktuell baut die Stadt weiter sukzessive Kapazitäten an von ihr angemieteten Wohnungen ab – und das, obwohl weiterhin viele Menschen in Containern und anderen Sammelunterkünften leben müssen. Es gibt sogar Berichte darüber, dass deswegen einzelne Geflüchtete, die bereits in einer Wohnung gewohnt haben, nun zurück in Container geschickt werden. Für die Betroffenen ist das natürlich eine schlimme Verschlechterung ihrer Lebenssituation, und entsteht der Eindruck, dass hier die Auslastung der langfristig angemieteten Conatainer- und Sammelunterkünfte gegenüber dem Recht auf Privatsphäre und menschenwürdigem Wohnen hinten angestellt wird.
- Seit April drängte die Linksfraktion auf eine Information darüber, wie das ursprünglich zur Flüchtlingsunterbringung angemietete ehemalige Antoniusstift (Bessemerstr.) genutzt werden soll. Schließlich zahlt die Stadt Monat für Monat viel Geld für die Miete, und das Gebäude wurde vollständig renoviert und für die Unterbringung ausgestattet – und machte in diesem Zustand einen deutlich besseren Eindruck als die meisten Sammelunterkünfte. Jetzt antwortet die Verwaltung endlich: In dem ehemaligen Altenheim sollen keine Menschen mehr wohnen, die Geflüchteten bleiben also in Containern & Co. Stattdessen sollen hier Büros für das Kommunale Integrationszentrum und Teile des Gesundheitsamts eingerichtet werden. In den Gebäudeteil an der Henriettenstraße soll der Bodo e.V. mit dem Tagesaufenthalt für wohnungslose Menschen und der Beratungsstelle für alleinstehende wohnungslose Männer einziehen.