Rede von Horst Hohmeier zu den Tagesordnungspunkten 1.8. „Satzung zum Schutz und Erhalt von Wohnraum im Gebiet der Stadt Bochum (Zweckentfremdungssatzung)“ und 1.9. (Änderungsantrag der Linksfraktion) auf der Ratssitzung am 28.09.2017.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,
ich erzähle Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass wir zusammen mit dem Mieterverein und mit vielen anderen Aktiven in unserer Stadt weiterhin sagen: Der Bochumer Rat steht in der Verantwortung, jetzt endlich eine Satzung zum Schutz und Erhalt von Wohnraum zu verabschieden. Sie reicht alleine natürlich nicht aus, aber sie ist ein erster wichtiger Baustein hin zu einer sozialeren Wohnungspolitik in Bochum.
In den vergangenen Wochen und Monaten sind zum Teil absurde Gegenargumente vorgebracht worden, die eigentlich schon lange widerlegt sind. Es ist ein großes Problem, wenn mit Fehlinformationen Stimmung gegen die Wohnraumschutzsatzung gemacht wird. Darum nochmal zum Mitschreiben: Kein Vermieter, der eine Wohnung zu einem angemessenen Preis auf dem Markt anbietet, muss mit Bußgeldern rechnen. Und ebenfalls niemand, der eine Wohnung renoviert, instandsetzt, modernisiert oder umbaut. Selbstverständlich kann das auch länger als drei Monate dauern.
Ziemlich seltsam waren auch die Einwände des VBW-Geschäftsführers gestern im Ausschuss. Der hat sich dort beklagt, Wohnungsunternehmen müssten nach Verabschiedung der Satzung erst mit der Stadtverwaltung reden, bevor sie Wohngebäude abreißen dürfen. Das ist in unseren Augen ein absurder Einwand. Denn erstens müssen die Konzerne bei größeren Bauprojekten doch sowieso mit der Stadt in Kontakt stehen. Und zweitens ist doch klar: Wenn ein Abriss- und Neubauprojekt stadtentwicklerisch sinnvoll ist, dann wird die Verwaltung doch selbstverständlich auch mit der neuen Satzung eine Genehmigung erteilen. Befürchtungen müssen allenfalls solche Wohnungskonzerne haben, die Abrissprojekte durchsetzen wollen, die von den zuständigen Stellen in der Stadtverwaltung als unsinnig oder schädlich für unsere Stadt angesehen werden. Ich finde es ganz schön merkwürdig, dass ausgerechnet der Geschäftsführer der halbstädtischen Wohnungsbaugesellschaft dieses Argument anführt. Wir sagen: Die VBW sollte sowieso nur stadtentwicklerisch sinnvolle Projekte umsetzen – und wenn das nicht so ist, ist das ein Grund mehr, den kommunalen Einfluss bei diesem halbstädtischen Unternehmen auszubauen oder alternativ eine tatsächlich kommunale Wohnungsbaugesellschaft aufzubauen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich also keinen Bären aufbinden – nichts an dieser Satzung ist schädlich. Sie vollbringt keine Wunder, aber sie kann helfen, Leerstände zu aktiveren. Wir fordern Sie auf, heute dem Beispiel der Bezirksvertretung Wattenscheid zu folgen, und nicht nur der Satzung insgesamt, sondern auch unserem Änderungsantrag zuzustimmen, mit dem wir Mieter*innen besser vor Verdrängung schützen wollen, und der dafür sorgt, dass es keine Regelungslücke bei bereits bestehendem Leerstand gibt.
So viel zum Inhaltlichen. Abschließend muss ich jetzt aber doch noch ein paar Worte zu dem Beratungsverfahren sagen. Vor einem Monat haben unter anderem Sie, liebe Kolleg*innen der SPD-Fraktion, einen Beschluss hier im Rat verhindert. In einer Presseerklärung haben Sie das wie folgt begründet (Zitat): „Zu einer ordentlichen Abwägung gehört, dass die Fachausschüsse sich damit beschäftigen.“ (Zitat Ende.) Erwartet haben wir also eine städtebauliche Debatte im Ausschuss für Planung und Grundstücke, eine Debatte über die Finanzierbarkeit im Haupt- und Finanzausschuss, und eine sozialpolitische Auseinandersetzung im Sozialausschuss. Stattdessen hatten Sie in allen drei Ausschüssen keinerlei Gesprächsbedarf. Sie haben dort keinerlei Bedenken zu den jeweiligen Fachbereichen vorgetragen! Die von Ihnen vorher so dringend eingeforderte Debatte fand in den drei Ausschüssen überhaupt nicht statt.
Eine tatsächliche Meinungsbildung hat dagegen in den Bezirksvertretungen stattgefunden. Die haben beraten und mehrheitlich für die Satzung gestimmt. Und trotzdem haben Sie gestern erklärt, dass die SPD-Fraktion heute möglicherweise das Projekt Wohnraumschutzsatzung zum Scheitern bringen will. Wir sagen: Erst den Beschluss verzögern, dann in den zuständigen Fachausschüssen anders als vorgetäuscht keine Fachauseinandersetzung führen wollen – und jetzt das mehrheitliche Votum der Bezirksvertretungen niederstimmen, das wäre nicht nur richtig schlechter Stil, sondern auch unter demokratischen Gesichtspunkten ein Problem.
Deshalb an dieser Stelle ein letzter Appell an Sie von der SPD: Stellen Sie sich nicht gegen die Interessen der Mieterinnen und Mieter und gegen die vielen wohnungspolitisch Aktiven hier in Bochum! Wenn Sie nach diesem Beratunsverlauf ernsthaft Nein zu der Satzung sagen, erweisen Sie der Demokratie wahrlich einen Bärendienst!