Auf Einladung von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. und der europäischen Sektion der HDP sind die Bochumer Rechtsanwältinnen Heike Geisweid, Birgit Landgraf und unser Fraktionsmitglied Horst Hohmeier vom 15. bis zum 22. März in die kurdische Stadt Wan (Van) gefahren. Ihre Aufgabe war es, die Menschenrechtssituation und die Maßnahmen des staatlichen Repressionsapparates im Ausnahmezustand und vor dem Referendum in der Türkei zu beobachten und zu protokollieren.
Im Folgenden dokumentieren wir einen Bericht von Horst Hohmeier zum Newroz-Tag in Wan. Inzwischen sind ein Artikel in der Tageszeitung Neues Deutschland und ein Interview in der Tageszeitung Junge Welt erschienen.
Wegen des OHAL (Ausnahmezustands) waren zunächst alle Newroz-Feiern in der Türkei verboten, 31 wurden dann doch noch erlaubt, unter anderen die in Amed (Diyarbakir) und Wan (Van). Schon in den Tagen vor dem Fest patrouillieren Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge durch die Stadt. Vor den Büros von HDP und DBP (Demokratische Partei der Regionen), NGOs und anderen oppositionellen Organisationen wimmelt es von Zivilpolizei, seit Tagen sind überall uniformierte Polizei- und Spezialeinsatzkräfte präsent. Immer wieder müssen Besucher*innen ihre Ausweise vorzeigen, werden fotografiert und gefilmt. Plakate sind nur auf wenigen genehmigten Tafeln erlaubt, in den wenigen noch erlaubten kurdischen Zeitungen werden Anzeigen geschaltet. Der Lautsprecherwagen der HDP fährt durch die Vororte und die umliegenden Dörfer und mobilisiert für Newroz und gegen das Referendum. Mitfahrende Aktivist*innen verteilen Hayir-Aufkleber und Flugblätter, die zum Nein beim Referendum aufrufen.
Der Tag des Newroz-Festes beginnt mit Sonnenschein und blauem Himmel. Ein Militärhubschrauber knattert Richtung Festivalgelände und beginnt darüber zu kreisen. Unsere Delegation wird vom Lautsprecherwagen der HDP abgeholt und mit Musik und Parolen zum 18 Kilometer entfernten Festplatz gefahren. Der Platz befindet sich unterhalb der alten Burganlage von Wan auf einem Sportgelände und ist mit einem sehr stabilen Sperrgitter umzäunt. Es gibt nur einen Zugangspunkt, mit drei in jeweils 50 Meter Abstand hintereinander liegenden Checkpoints, die von bewaffneten uniformierten Sicherheitskräften besetzt sind. An jedem der drei Checkpoints findet eine Leibesvisitation statt und alle Taschen, Rucksäcke usw. müssen ausgeleert werden und werden durchsucht.
Durch diese massiven Kontrollen dauert es Stunden, bis die vielen tausend Besucher*innen das eingezäunte Festgelände erreichen. Über dem Gelände kreisen Drohnen, die Zäune sind von außen durch Polizei mit Maschinenpistolen umstellt. Von einem LKW auf dem Gelände filmen und fotografieren Zivilpolizist*innen.
Auf dem Gelände herrscht eine ausgelassene und kämpferische „Trotz-alledem“-Stimmung, die sich den widrigen Umständen entgegen setzt. Happy-Newroz-Jingels, politische Reden und Livemusik wechseln sich ab. Es wird getanzt, getrommelt und das große Newroz-Feuer brennt. Nach dem Auftritt der Folkrock-Gruppe Bajar, der ohne Zugabe um 16 Uhr endet, weil die erlaubte Kundgebungszeit abgelaufen ist, verlassen die Menschen hastig das Festivalgelände. Die wenigen Nachzügler*innen und einige noch feiernde Jugendliche werden von Robocops mit großen Plastikschilden und Schlagstöcken vom Platz getrieben. Auch das Wetter hat sich eingetrübt und es beginnt zu schneien.