Rede von Ralf-D. Lange zur Änderung der Benutzungs- und Entgeltordnung für Schulräume der Stadt Bochum und der Entgeltregelungen der Stadt Bochum
Frau Oberbürgermeisterin, meine Damen und Herren,
ich glaube, bei der Diskussion zum vorliegenden Tagungsordnungspunkt müssen wir zwischen dem Anlass, dem Verfahren und den Folgen der vorgeschlagenen Änderung der Vergabepraxis von Schulräumen unterscheiden.
Zum ersten Punkt möchte ich sagen: Der ganze Umgang mit dieser Intervention eines einzelnen Bürgers ist bemerkenswert und setzt hoffentlich Maßstäbe in Bezug auf weitere BürgerInnenanregungen an den Rat und die Ausschüsse. So schnell und konsequent ist in der Vergangenheit selten eine Anregung eines Bochumer Bürgers oder einer Bürgerin aufgenommen worden. So schnell mündete unseres Wissens noch keine Anregung in eine Beschlussvorlage der Verwaltung. Da können wir nur sagen: Weiter so!
Und wir würden zusätzlich noch vorschlagen, dass in Zukunft auch die Gegenseite gehört und informiert wird. Zu Demokratie gehören eben auch Informationen aus erster Hand, die man sich anhört, um dann abzuwägen und sich seine eigene Meinung zu bilden. In diesem Fall handelt es sich ja schließlich um einen eingetragenen, nicht verbotenen Bochumer Verein. Einer der Gründungsmitglieder ist sogar Träger der Dr.-Ruer-Medaille der jüdischen Gemeinde, und selbst Serdar Yüksel hat eine Veranstaltung dieses Vereins im September letzten Jahres in Wattenscheid eröffnet. Ein Untergang des demokratisch verfassten Abendlandes bzw eine „Kontaminierung städtischer Schulen“, wie es der besorgte Bürger prophezeit, ist also nicht zu befürchten.
Aber mir geht es hier wirklich nicht darum, das DDR-Kabinett zu verteidigen. Ich will an dieser Stelle auch nicht näher auf die umstrittene und von vielen Sozial- und Politikwissenschaftlern scharf kritisierte Extremismustheorie eingehen, die in diesem Zusammenhang wieder fröhliche Urstände feiert.
Nein, es geht mir darum, Sie inständig zu bitten, ihre Entscheidung zu dieser Beschlussvorlage noch einmal zu überdenken – und zwar wegen der Folgen, die sie hätte. Es geht mir darum, wie öffentliche Schulen in Bochum und Wattenscheid von interessierten und engagierten Gruppen auch weiterhin genutzt werden können – nach Schulschluss, in der unterrichtsfreien Zeit wohlgemerkt.
Und da meine ich, dass die bisher geltenden Benutzungsregelungen gut waren und sich in der langjährigen Praxis bewährt haben. In der alten Ordnung heißt es: „Die Schulräume können auf Antrag für ideelle Aufgaben in der unterrichtsfreien Zeit zur Verfügung gestellt werden.“
Es gibt gute Gründe, daran nichts zu ändern. Selbst die Verwaltung schreibt in ihrer Vorlage, dass es nicht möglich ist, „zielgerichtet bestimmte Gruppierungen (Vereine, Institutionen u.ä) auszuschließen“. Und sie weist völlig zu Recht darauf hin, dass durch die Neuregelung „möglicherweise wegen der zu beachteten Grundsätze (Gleichheitssatz und Willkürverbot) auch einige wünschenswerte Nutzergruppen in Schulräumen zukünftig nicht mehr zugelassen werden dürfen.“
Ich fasse also zusammen: Selbst die Verwaltung äußert ihre Sorge darüber, dass hier durch die Aufstellung einer Positivliste, die anderseits viele NutzerInnen ausschließt, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.
Für diese Nutzergruppen möchte ich mich hier einsetzen. Für Gruppen und Initiativen, die in Zukunft nicht mehr ihre Veranstaltungen oder Versammlungen in städtischen Schulen durchführen können sollen. Wir haben ja eine Abfrage gemacht, wer die Schulen in den letzten 5 Jahren genutzt hat. Und außer dem DDR-Kabinett dürfte dann auch nicht mehr Amnesty International die Räume für ihre Jahreshauptversammlung nutzen. Aktive und wünschenswerte Initiativen wie das Bochumer Bündnis gegen Rechts, das Friedenplenum, das Bochumer Forum für Antirassismus und Kultur, die VVN-BdA und die DFG-VK. Dem ADFC, der Fahrradinitiative Urban Radeling, Gruppen wie occupy, der Initiative University meets Querenburg und anderen Gruppen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, ja selbst dem Flüchtlingsrat NRW bliebe der Zugang zu diesen Räumlichkeiten in Zukunft verwehrt.
Ich frage Sie allen Ernstes: Wollen Sie das wirklich? Selbst der Kinder- und Jugendring weist darauf hin, dass die meisten MigrantInnenjugendorganisationen keine Anerkennung als Jugendverband haben und daher aus dem Raster fallen würden. Er nennt Jugendgruppen wie die von der IFAK, ISTOK und DARF, die aber in der jugendkulturellen Arbeit besonders aktiv sind.
Wünschenswertes bürgerschaftliches Engagement findet häufig außerhalb der Organisationen statt, die nun als ausschließliche Nutzergruppen festgelegt werden sollen. Wir werden hier aber keine Verschlimmbesserung der neuen Nutzungsordnung beantragen, denn wir sind keine Hellseherinnen und Hellseher. Wir können nicht alle Organisationsformen von unterstützenswerten Bürgerinitiativen und Gruppierungen, die in den kommenden Jahren in Bochum entstehen können, auf gut Glück erraten – ich behaupte: Sie können das auch nicht.
Deshalb plädieren wir für eine klare Ablehnung des Antrages. Die alte Benutzungsordnung hat sich bewährt und bietet im Übrigen genügend Möglichkeiten, im Einzelfall und bei rassistischen oder antidemokratischen Tendenzen den AntragstellerInnen das Recht auf Schulraum zu versagen.
Ich bitte sie daher noch einmal eindringlich, in sich zu gehen und ihre Entscheidung zu überdenken. Im Interesse eines bunten, lebendigen, vielfältigen und demokratischen Lebens in Bochum und auch in den städtischen Schulen. Wo sich jede und jeder informieren und sich frei seine Meinung bilden kann.
Ich danke Ihnen.