Im Streit um die Wohnsitzauflage bereiten SPD und Grüne aktuell einen Doppelbeschluss vor: Auf der Ratssitzung am Donnerstag, den 15. September wollen sie beschließen lassen, dass anerkannte Flüchtlinge weiterhin aus Bochum vertrieben werden sollen, wenn sie nach dem 6. August in unsere Stadt gezogen sind. Gleichzeitig soll festgehalten werden, dass die Wohnsitzauflage nicht rückwirkend angewandt wird.
Die Bochumer Linksfraktion begrüßt die längst überfällige Zusage, dass die Geflüchteten, die vor dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes nach Bochum gezogen sind, bleiben dürfen sollen. Den ersten Teil des Beschlussvorschlags lehnen wir jedoch ab. Die Wohnsitzauflage ist integrationspolitisch schädlich und rechtlich fragwürdig. In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Eiskirch haben wir zusammen u.a. mit der Initiative Treffpunkt Asyl, dem Caritasverband, der Inneren Mission der Diakonie, der Medizinischen Flüchtlingshilfe, dem Bahnhof Langendreer sowie Ehrenamtsinitiativen und Einzelpersonen der Flüchtlingsarbeit darauf hingewiesen:
Die Wohnortzuweisung ist unseres Erachtens auch mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Artikel 33 der EU-Qualifikationsrichtlinie garantiert für Flüchtlinge und subsidiär Geschützte das Recht auf Freizügigkeit, wie auch Artikel 26 der Genfer Flüchtlingskonvention. In Urteilen vom 1.3.2016 (C – 443/14, C – 44/14) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Einführung einer Wohnortzuweisung aus fiskalischen Gründen weder mit der Genfer Flüchtlingskonvention noch mit der EU-Qualifikationsrichtlinie vereinbar ist. Zudem stellte das Gericht fest, dass eine Wohnortzuweisung nur dann mit integrationspolitischen Gründen zu rechtfertigen ist, wenn dadurch keine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Migrant*innen-Gruppen entsteht. Personen, die mit einem Visum zum Familiennachzug oder zu Arbeitszwecken kommen, sind bekanntlich nicht von einer Wohnortzuweisung betroffen. Es liegt hier also eine Ungleichbehandlung vor, die nach der EU-Qualifikationsrichtlinie ausdrücklich nicht zulässig ist.
Vor diesem Hintergrund halten wir den Vorschlag von SPD und Grünen für völlig falsch, der Verwaltung nun einen politischen Freibrief zur Umsetzung dieses integrationspolitisch schädlichen und rechtlich fragwürdigen Gesetzes auszustellen.
Wir bleiben dabei, dass alle Verantwortlichen der Stadt Bochum sich mit ihrem politischen Gewicht in Düsseldorf und Berlin dafür einzusetzen sollten, dass eine weitere Beschränkung der Freizügigkeit innerhalb von NRW nicht umgesetzt wird, und dass das sogenannte „Integrationsgesetz“ im Bundestag umgehend geändert wird.