Rede: Keine politische Rückendeckung für Wohnsitzauflage

Rede von Ralf-D. Lange zum Dringlichkeitsantrag zur Wohnsitzauflage der SPD und Grünen auf der Ratssitzung am 15. September 2016:

Ralf-D. Lange

SPD und Grüne wollen heute quasi einen Doppelbeschluss durchsetzen: Zunächst beinhaltet der Antrag, dass anerkannte Flüchtlinge weiterhin aus Bochum vertrieben werden sollen, wenn sie nach dem 6. August in unsere Stadt gezogen sind. Gleichzeitig soll festgehalten werden, dass die Wohnsitzauflage nicht rückwirkend angewandt wird.

Die Bochumer Linksfraktion begrüßt die längst überfällige Zusage, dass die Geflüchteten, die vor dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes nach Bochum gezogen sind, bleiben dürfen sollen. Allerdings gibt es überhaupt keinen Grund dafür, gleichzeitig die Umsetzung der Wohnsitzauflage in allen anderen Fällen mit einem Beschluss des Rats politisch abzusegnen.

Wir wollen an dieser Stelle an den offenen Brief erinnern, den wir zusammen mit der Initiative Treffpunkt Asyl, Diakonie, Caritas und vielen weiteren Organisationen und Persönlichkeiten an OB Eiskirch gerichtet haben. Darin haben wir bereits darauf hingewiesen, dass die Wohnortzuweisung mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist. Artikel 33 der EU-Qualifikationsrichtlinie garantiert für Flüchtlinge und subsidiär Geschützte das Recht auf Freizügigkeit, wie auch Artikel 26 der Genfer Flüchtlingskonvention.

Auch der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Einführung einer Wohnortzuweisung aus fiskalischen Gründen weder mit der Genfer Flüchtlingskonvention noch mit der EU-Qualifikationsrichtlinie vereinbar ist. Zudem stellte das Gericht fest, dass eine Wohnortzuweisung nur dann mit integrationspolitischen Gründen zu rechtfertigen ist, wenn dadurch keine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Migrant*innen-Gruppen entsteht. Personen, die mit einem Visum zum Familiennachzug oder zu Arbeitszwecken kommen, sind bekanntlich nicht von einer Wohnortzuweisung betroffen. Es liegt hier also eine Ungleichbehandlung vor, die nach der EU-Qualifikationsrichtlinie ausdrücklich nicht zulässig ist.

Ihr Antrag bedeutet, der Verwaltung nun einen politischen Freibrief zur Umsetzung dieses integrationspolitisch schädlichen und rechtlich fragwürdigen Gesetzes auszustellen.

Stattdessen sollten Sie Ihre Parteifreunde in Düsseldorf und Berlin dazu aufrufen, dass eine weitere Einschränkung der Freizügigkeit in NRW nicht umgesetzt und das Gesetz im Bundestag umgehend geändert wird. Das Spiel von SPD und Grünen, auf kommunaler Ebene das eine sagen und z.B. auf Landesebene dann das Gegenteil tun, ist leider zu bekannt. Wenn die Grünen Wohnsitzauflage als  ,Integrationshemmnis‘ bezeichnen, dann wäre zu erwarten gewesen, dass sie der Landesregierung und der sie stützenden Landtagsfraktion die Unterstützung entziehen, anstatt ihnen mit so einem Antrag hier den Rücken zu stärken.

An dieser Politik werden wir uns nicht beteiligen und müssen deswegen Ihren Antrag ablehnen – auch wenn wir die längst überfällige Zusage, das Gesetz nicht rückwirkend anzuwenden, natürlich begrüßen.

Vielen Dank.