Schutzsuchende menschenwürdig behandeln – keine Flüchtlingsunterkunft auf Friedhof!

Rede des Fraktionsvorsitzenden Ralf-D. Lange: „Schutzsuchende menschenwürdig behandeln – keine Flüchtlingsunterkunft auf Friedhof!“ auf der Ratssitzung am 27.08.2015 (Tagesordnungspunkt 2.1 – Antrag der Linksfraktion)

 

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren,

Ralf-D. Lange

auf der vergangenen Sitzung hat der Rat einen Antrag zur Unterbringung von Flüchtlingen in Bochum beschlossen. Die Beratungen zu diesem Antrag liefen sehr chaotisch ab – keinen ganzen Arbeitstag hatten die Mitglieder des Rats Zeit, um den ganz kurzfristig von SPD und Grünen eingebrachten Änderungsantrag zu prüfen. Wie hektisch hier gearbeitet worden ist, zeigt auch an solchen Kleinigkeiten, dass in dem von SPD und Grünen vorgelegten und ohne Änderung beschlossenen Antrag von einem „Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Wohnen“ die Rede ist, den es bei uns unter diesem Namen überhaupt nicht gibt. Was dabei vielen Ratsmitgliedern entgangen ist: Die VerfasserInnen des rot-grünen Antrags haben auch einen geänderten Standort für eine Containerunterkunft im Bochumer Südwesten vorgeschlagen. Statt auf dem ehemaligen Schulgelände an der Brantropstraße sollten die Container nun auf einer Wiese des Friedhofs Weitmar aufgestellt werden. Es ist eine Peinlichkeit für den gesamten Bochumer Rat, dass der Antrag so beschlossen worden ist. Denn es ist nicht akzeptabel, dass oftmals von Krieg und Gewalt traumatisierte Flüchtlinge ausgerechnet auf einer Friedhofswiese wohnen müssen. Und ich bin mir sicher, dass eigentlich auch die Mehrheit der Ratsmitglieder so sieht.

Wir stellen jetzt hier einen sehr begrenzten Antrag, der lediglich diesen einen Fehler im Beschluss korrigiert. Das bedeutet nicht, dass wir mit dem Rest einverstanden sind. Wir haben bereits unsere grundsätzliche Kritik an der Unterbringungspolitik in Bochum formuliert. Die Unterbringung in Containern, erst Recht, wenn dort Menschen zusammengepfercht auf einer Netto-Nutzfläche von 6,6 Quadratmetern pro Person leben sollen, ist nicht menschenwürdig – nicht nur unserer Meinung nach, sondern auch nach dem Unterbringungs- und Betreuungskonzept der Stadt Bochum. Es bleibt ein unerträglicher Zustand, dass die Stadt bei den aktuellen Planungen weiter gegen ihre eigenen Standards für menschenwürdige Unterbringung verstößt, und dass gleichzeitig überhaupt keine Konzepte und Aktionspläne dazu erarbeitet werden, was sich in der Bochumer Politik ändern muss, damit die Standards der menschenwürdigen Unterbringung endlich eingehalten werden können. Daran ändern auch neue, noch schlimmere Vorschläge nichts, die aus der Verwaltung an die Presse kommuniziert worden sind.

Dringender denn je brauchen wir ein groß angelegtes kommunales Wohnungsbauprogramm. Darüber wird ja auf unseren Antrag hin der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 10. September beraten. Auch über viele weitere Fragen in Bezug auf die Unterbringungspolitik werden wir noch zu diskutieren haben. Unabhängig davon müssen wir aber jetzt erst einmal den falschen Standort-Beschluss von der vergangenen Ratssitzung korrigieren, um den Weg für alternative Planungen frei zu machen. Wir finden es gut und richtig, dass sich diese Ansicht offensichtlich inzwischen auch in der rot-grünen Koalition durchgesetzt hat. So verstehen wir jedenfalls den Änderungsantrag zu unserem Antrag. Allerdings, das nehmen wir auch wahr: Wenn der Änderungsantrag ohne unseren ersten Satz beschlossen wird, würde er aus einer eindeutigen politischen Entscheidung, Menschen nicht auf einer Friedhofswiese unterzubringen, lediglich einen Auftrag an die Verwaltung machen: Alternative Standorte sollen gesucht werden. Diese Konsequenz ergibt sich zwangsläufig aus unserem Antrag.

Deshalb sind wir bereit, den Inhalt des rot-grünen Änderungsantrags als zweiten Satz in unseren Antrag zu übernehmen. Der Wortlaut des Antrags lautet dann:

„Das Gelände des städtischen Friedhofs in Weitmar an der Hattinger Straße/Schlossstraße wird nicht als Standort zur Unterbringung von Flüchtlingen berücksichtigt. Die Verwaltung sucht alternative Standorte.“

Vielleicht können wir uns darauf einigen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann bitte ich darum, auf jeden Fall über beide Anträge einzeln abzustimmen zu lassen – sowohl über unseren, denn er formuliert klar und deutlich die politische Entscheidung, als auch über den Änderungsantrag der rot-grünen Koalition, der den Arbeitsauftrag an die Verwaltung ausformuliert.

Und dann ist da noch der Änderungsantrag der CDU. Dem können wir nicht zustimmen. Ja, die Stadt muss sich um Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt kümmern. Ja, möglicherweise lassen sich auch Bürogebäude umbauen. Aber nein: Industriegelände wie das belastete Opel-Gelände sind nicht geeignet. Und: Die Stadt soll sich nicht nur grundsätzlich, sondern in jedem Einzelfall an ihre Standards zur menschenwürdigen Unterbringung halten. Gleiches gilt für den Antrag der FDP/Stadtgestalter: Es reicht nicht aus, den Standort auf dem Friedhof „vorerst“ auszuschließen. Daher stimmen wir auch hier mit nein.

Vielen Dank.