In einem jetzt bekannt gewordenen Brief an NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fordert die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) die Abschaffung von Einzelfallprüfungen vor Abschiebungen bei besonders diskriminierten Minderheiten, Alten und Kranken. Außerdem sollen Flüchtlinge auch dann abgeschoben werden, wenn dadurch Familien auseinandergerissen werden, heißt es in dem von Scholz zusammen mit anderen OberbürgermeisterInnen und Landräten unterzeichneten Schreiben.
„Die Forderungen von Ottilie Scholz sind unmenschlich und ein absoluter Tiefpunkt ihrer Amtszeit“, sagt Horst Hohmeier, Ratsmitglied der LINKEN. „Sie sind außerdem ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich hier in Bochum für Flüchtlinge und gegen die brutale Abschiebepolitik engagieren. Wer so tut, als ließen sich politische Probleme durch eine noch rücksichtslosere Abschiebung von besonders diskriminierten Flüchtlingen lösen, bedient eine rechtspopulistische Das-Boot-ist-voll-Logik.“
Weniger Einzelfallprüfungen vor Abschiebungen?
In dem Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fordert Ottilie Scholz unter anderem, dass die Landesregierung einen Erlass vom 22.12.2014 zurücknimmt. In ihm hat das Land geregelt, dass vor Abschiebungen in einige Länder „bei besonders schutzbedürftigen Personen – den Familien und Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, allein reisenden Frauen, alten Menschen über 65 Jahre, Kranken und Pflegebedürftigen“ eine „sorgfältige Einzelfallprüfung“ vorgenommen werden muss. Damit sollen „objektiv unzumutbare Härten“ vermieden werden, heißt es in der Verordnung. Eine andere Verordnung, deren Abschaffung Ottilie Scholz fordert, schreibt Einzelfallprüfungen bei bestimmten besonders stark verfolgten Minderheiten vor, und zwar insbesondere für „alte Menschen über 65 Jahre, Kranke, Pflegebedürftige, alleinerziehende Mütter, Familien mit Kindern oder alleinreisende Frauen“. In dem von Ottilie Scholz unterzeichneten Schreiben heißt es: Statt den Einzelfallprüfungen sei die Unterstützung der Landesregierung bei Abschiebungen notwendig, „um die notwendigen Plätze für um ihr Leben fürchtende Flüchtlinge freizuziehen“.
„Das ist einfach zynisch“, sagt Gültaze Aksevi, Ratsmitglied und Vertreterin der Linksfraktion im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. „Die Stadt Bochum hält ihre eigenen Standards für menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen nicht ein – und Ottilie Scholz fordert eine noch unmenschlichere Politik. Auch mit den gültigen Regeln werden Menschen abgeschoben, die um ihr Leben und ihre Gesundheit fürchten. Wir brauchen ein Ende dieser Politik, nicht eine weitere Verschärfung.“
Forderungen der Linksfraktion
Die Linksfraktion fordert grundsätzlich ein Ende der Abschiebepolitik, die in Bochum in einigen Punkten sogar brutaler ist als anderswo. Flüchtlingsinitiativen kritisieren, dass Bochum anders als einige andere Städte Abschiebungen in der Regel unangekündigt durchführt und die Betroffenen zumeist überfallartig mitten in der Nacht aus den Flüchtlingsunterkünften reißt. Das führt in den Unterkünften zu einem ständigen Gefühl der Bedrohung und bei den Betroffenen zu Retraumatisierungen. Von Ottilie Scholz fordert die Linksfraktion eine Distanzierung von den inhumanen Forderungen und eine Entschuldigung bei den Betroffenen. Um eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Bochum zumindest mittelfristig möglich zu machen, ist nach Ansicht der Linksfraktion außerdem ein kommunales Wohnungsbauprogramm notwendig.
Weitere Informationen:
- Die beiden Verordnungen, deren Abschaffung Ottilie Scholz in dem Brief an Hannelore Kraft fordert, finden Sie hier und hier (pdf-Datei).
- Das von Ottilie Scholz und anderen OberbürgermeisterInnen und Landräten unterzeichnete Schreiben dokumentieren wir hier (pdf-Datei).