Hier dokumentieren wir die Rede des Fraktionsvorsitzenden Ralf-D. Lange zu unserem Antrag „Bochum gegen TTIP“ im Rat der Stadt Bochum am 19. Februar 2015.
Frau Oberbürgermeisterin,
meine Damen und Herren,
endlich steht nach monatelangem hin und her unser Antrag zu TTIP, CETA und TiSA auf der Tagesordnung. Die Linksfraktion hat ihn gemeinsam mit der Sozialen Liste eingereicht. In der Vorlage haben wir ausführlich begründet, warum wir als Kommune direkt betroffen sind und warum diese so genannten Freihandelsabkommen grundsätzlich abzulehnen sind.
Eigentlich würde einem aufgeklärten und demokratisch gesinnten Menschen bereits der Hinweis der Bochumer Wirtschaftsförderung reichen, die auf die Anfrage von Grünen und SPD im Ausschuss für Strukturentwicklung zu Recht folgendes feststellt: „Die Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP (…) zwischen der EU und den USA finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.“ In dem gemeinsamen Positionspapier des Deutschen Städtetages und anderen, auf das Ihr Antrag abzielt, wird das auch noch gutgeheißen. Ich zitiere: „Die Verhandlungsführung über so komplexe Fragestellungen, wie sie mit dem Freihandelsabkommen verbunden sind, erfordern Vertraulichkeit.“
Ich will trotz unserer ausführlichen schriftlichen Begründung noch einmal auf einige weitere Knackpunkte eingehen: Wer die Diskussion um TTIP, CETA und TiSA lediglich auf das berüchtigte Chlorhühnchen reduziert, auf Umweltstandards oder die Schiedsgerichtsbarkeit, übersieht wichtige Aspekte. Es geht auch nicht nur um die Wurst oder den Käse. Und schon gar nicht ist das Hauptproblem, dass die deutsche Bevölkerung zu reich und zu hysterisch ist, wie es der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel zynischerweise in Davos formulierte.
Die so genannten „Freihandelsabkommen“ sind global und kommunal. Es geht letztlich um eine Machtverschiebung weg von politisch gewählten Entscheidungsträgern hin zu multinationalen Konzernen. Durch die Investitionsschutzklausel würden Konzerne zum Beispiel ein Sonderklagerecht auch gegen Beschlüsse des Rates der Stadt Bochum erhalten. Wir müssten uns jedes Mal genau überlegen, ob wir das Risiko einer solchen Klage eingehen und ob wir das Verfahren überhaupt bezahlen können – ganz unabhängig davon, wie und von wem ein solches Schiedsgericht zusammengesetzt wurde.
Es geht um öffentliche kommunale Dienstleistungen, wie sie von der Stadt Bochum erbracht oder durch halböffentliche Unternehmen, Vereine und freie Träger erledigt werden. Diese Abkommen werden direkt beeinflussen, welche Leistungen zukünftig von einer Kommune wie Bochum erbracht werden können. Relevante Handlungsbereiche wie etwa das öffentliche Auftragswesen, Energiepolitik und Umweltschutz würden weiter liberalisiert und die bisherigen Standards geschwächt und abgesenkt.
Durch die Abkommen soll geregelt werden, welche Dienstleistungen von den Städten und Gemeinden erbracht werden dürfen und welche dem Wettbewerb unterliegen müssen. Dies kann nahezu alle öffentlichen Dienstleistungen umfassen. Die EU schließt bisher nur hoheitliche Bereiche aus. Das bedeutet, dass zum Beispiel Bereiche wie Wasserversorgung, Bildung, Kultur, Gesundheitsleistungen oder Nahverkehr verstärkt für Privatisierungen geöffnet werden könnten.
Diese Bedenken haben übrigens auch der Vorstand und der Betriebsrat der Bogestra zum Ausdruck gebracht, als sie letztens Axel Schäfer zu einer Diskussion über die Abkommen eingeladen hatten. Deutlich warnten sie dort vor Liberalisierung und Arbeitsplatzabbau durch TTIP. Das Bochumer Bündnis für Arbeit und Gerechtigkeit will anlässlich des Internationalen Aktionstages gegen TTIP am 18. April auch in Bochum wieder Aktionen machen – und wir meinen, zu Recht.
Durch das Freihandelsabkommen würde massiv in die kommunale Planungs- und Gestaltungshoheit eingegriffen werden – Kommunen wie Bochum würden in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt. Das gilt für Gestaltungs- und Umweltauflagen in Bebauungsplänen oder Raumordnungsplänen, Ortsrecht, für Ansiedlungsverbote und Ähnliches.
Zu unserem Antrag liegt ein angeblicher „Änderungsantrag“ von SPD, Grünen, CDU und anderen vor, der uns sowohl in Bezug auf den Inhalt als auch in Bezug auf die Form einigermaßen erstaunt. Inhaltlich bedeutet Ihr Antrag, dass Sie eine deutliche Ablehnung des TTIP durch eine weichgespülte Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände ersetzen wollen. Die von den Verbänden formulierten Forderungen sind zwar nicht falsch – sie decken aber nur einen Teil der Probleme ab, die sich durch das TTIP ergeben. Auf die beiden anderen Abkommen CETA und TiSA geht ihr Antrag überhaupt nicht ein. Vor allem aber betreibt die Stellungnahme, auf die Sie sich beziehen, leider Augenwischerei:
Die kommunalen Spitzenverbände behaupten in dem Papier, dass sie die TTIP-Verhandlungen „konstruktiv begleiten“. Das ist so nicht zutreffend. Die Kommunen sind an den Verhandlungen eben nicht beteiligt, das ist ja ein Teil des massiven Demokratiedefizits dieses Verfahrens. Es wäre ein falsches Signal, wenn der Rat der Stadt Bochum dieses undemokratische Verfahren mit intransparenten Geheimverhandlungen grundsätzlich begrüßen würde, nur in der vagen Hoffnung, dass irgendwer vielleicht noch Detailverbesserungen durchsetzen könnte.
So funktioniert Demokratie nicht. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns klar und deutlich gegen TTIP als Ganzes aussprechen, die Kampagne „10.000 Kommunen TTIP-frei“ unterstützen, und auch der Oberbürgermeisterin einen klaren Arbeitsauftrag mitgeben, das auf allen Ebenen so zu vertreten. Dass auch die Bochumer Grünen diesen weichgespülten Antrag mittragen, ist leider mal wieder ein Zeichen, dass sie links blinken und im entscheidenden Moment rechts abbiegen. Sie halten im Rat nicht, was sie auf der Straße versprechen.
So viel zum Inhalt. Aber auch formal scheint hier einiges schief zu laufen. Sie haben Ihren Antrag als „Änderungsantrag“ zu unserem Antrag eingereicht, aber ändern wollen Sie überhaupt nichts. Sie wollen den gesamten Antrag durch Ihren eigenen ersetzen. Das geht so nicht! Wenn das Schule machen würde, hätte die Ratsmehrheit zukünftig immer die Möglichkeit dafür zu sorgen, dass überhaupt nicht mehr über Anträge der Opposition abgestimmt werden muss. Unliebsame Anträge könnten vorher einfach komplett durch eigene ersetzt werden. Das wäre ein weiterer Demokratieabbau in Bochum.
Auch die Opposition muss in der Lage sein, Anträge zur Abstimmung zu stellen. Das ist ein grundlegendes demokratisches Recht der Opposition, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie dieses Recht faktisch aushöhlen wollen. Ihr angeblicher Änderungsantrag ist kein Änderungsantrag, sondern ein Ersetzungsantrag. Wir werben natürlich weiterhin darum, dass Sie unserem Antrag zustimmen. Wenn Sie aber einen eigenen Antrag mit komplett anderem Text einbringen wollen, muss über diesen zweiten Antrag gesondert und getrennt abgestimmt werden.