Haushaltsrede Ralf-D. Lange

Hier dokumentieren wir die Haushaltsrede von Ralf-D. Lange, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. im Rat der Stadt Bochum anlässlich der Ratssitzung am 22. Januar 2015.

 

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
meine Damen und Herren,

ralf

es wird Sie wahrscheinlich nicht wundern, wenn ich hiermit für die Fraktion DIE LINKE ankündige, dass wir sowohl dem Stellenplan als auch dem Haushaltsicherungskonzept und der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2015 nicht zustimmen werden. Dieser Haushalt ist leider nach wie vor meilenweit von einem sozial gerechten und ausgewogenen Haushalt entfernt – auch wenn im Prozess noch einige Grausamkeiten aus der Kürzungsliste herausgenommen worden sind.

Dass die freie Kulturszene im Haushaltsansatz 2015 nach den Kürzungen Ende 2014 nun nicht weiter eingeschränkt werden soll, halten wir für einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. Auch unterstützen wir, dass die Träger freier Kulturarbeit und sozialer Angebote zumindest teilweise durch Verträge abgesichert worden sind. Aber um die freie Szene nachhaltig zu stärken, brauchen wir angesichts des drohenden Nothaushaltes so schnell wie möglich einen Kulturentwicklungsplan. Der Antrag der SPD-Fraktion, die Verwaltung solle Inhalte und Kosten prüfen, ist daher halbherzig und wird der prekären Lage nicht gerecht. Am 17. Dezember 2014 wurde das Kulturfördergesetz im Landtag verabschiedet. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine schnelle Umsetzung auch in Bochum gegeben. Diese Chance, die Förderung der freien Szene auch für einen drohenden Nothaushalt zu sichern, muss so schnell wie möglich umgesetzt werden.

Aber machen wir uns nichts vor: Die Erhöhung für die freie Szene um 180.000 Euro wird durch schmerzhafte Kompensationsmaßnahmen in anderen Bereichen teuer erkauft – ich rede hier vor allem von den Kürzungen bei der VHS und bei der Musikschule.

Im Haushalt werden 588.000 Euro für zusätzliches Personal zur Betreuung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Aber: Dabei handelt es sich nicht um eine politische Leistung der rot-grünen Rathauskoalition, denn das Geld kommt aus höheren und dringend benötigten Zuweisungen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW. Und leider müssen wir feststellen: Als Maßnahme, um endlich menschenwürdige Bedingungen für alle Flüchtlinge in Bochum herzustellen, reicht das längst nicht aus. Insgesamt sollen elf neue Stellen entstehen, unter anderem zur Koordination der Arbeitsgruppe Flüchtlinge und zur Objektbetreuung von neuen Unterkünften. Durch die 3,5 zusätzlichen SozialarbeiterInnen-Stellen, die vorgesehen sind, wird es der Stadt bestenfalls gelingen, den bisherigen schlechten Betreuungsschlüssel aufrecht zu erhalten: Nach wie vor wird eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter für 100 Flüchtlinge zuständig sein. Als absoluten Mindeststandard für eine menschenwürdige Betreuung definiert der Flüchtlingsrat NRW einen Betreuungsschlüssel von 1 zu 80. Wir müssen leider festhalten: Auch mit dieser Erhöhung wird die Stadt Bochum den Mindeststandards für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen nicht gerecht.

Wir lehnen auch Überlegungen ab, dass das Jobcenter ja ALGII-EmpfängerInnen zukünftig auf einem Teil ihrer Heizkosten sitzen lassen könnte. Im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit hieß es: Durch Aufhebung des Heizkosten-Moratoriums könne die Stadt pro Jahr 450.000 Euro sparen. Ein anderer unsozialer Kürzungsvorschlag, über den nach wie vor diskutiert wird: Durch einen speziell erstellten Sonder-Mietspiegel könnten die Ärmsten in unserer Stadt in schlechtere und für die Stadt billigere Wohnungen gedrängt werden. In Bochum wird weiter über Kürzungen auf Kosten der Ärmsten nachgedacht, auf der anderen Seite hat der Kämmerer einfach so 75 Millionen Euro mit den Schweizer-Franken-Krediten verzockt.

Aber auch, wenn wir ganz betriebswirtschaftlich denken, weist das ganze Haushaltsicherungskonzept in die falsche Richtung. Wie den Unterlagen zu entnehmen ist, haben die Reduzierung von Öffnungszeiten und Wassertemperatur sowie die Erhöhung von Entgelten in der Regel weder zu höheren Einnahmen geschweige denn zu mehr NutzerInnen bei Bibliotheken, Museen oder Schwimmbädern geführt. Soviel zu dem Konzept des wirkungsorientierten Haushalts.

Ganz besonders aber lehnen wir die so genannte Personalaufwandsdeckelung sowie die Einstellungskorridore ab. Die Verwaltung beschreibt diese Pläne sehr zutreffend als „eine zentrale Maßnahme des zu genehmigenden Haushaltsicherungskonzeptes“. Was heißt das?

Das heißt nichts anderes, als dass ein Großteil der Kürzungen zu Lasten der Beschäftigten der Stadt und der Bürgerinnen und Bürger gehen soll. Das heißt, dass ab diesem Jahr jede zweite frei werdende Stelle bei der Stadt abgebaut werden soll Bis zum Jahr 2022 soll es mindestens 800 Stellen weniger in der öffentlichen Verwaltung geben.

Die rot-grüne Rathauskoalition und leider auch die meisten anderen der hier im Rat vertretenen Parteien und Gruppierungen verkaufen das als Bürokratieabbau. In Wirklichkeit aber geht es um einen Abbau der öffentlichen Infrastruktur und um Einschnitte in die öffentliche Daseinsvorsorge in unserer Stadt.

Das Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit hat Recht, wenn es feststellt: „Wenn die Stellenstreichungen tatsächlich beschlossen werden, dann werden zukünftig noch mehr Schulsekretariate geschlossen bleiben, die Friedhöfe noch weniger gepflegt, die Schlaglöcher in den Straßen tiefer und Schwimmbäder oder Büchereien bleiben oder werden noch häufiger geschlossen. Wenn im Fundbüro, in der Musikschule, bei der Lebensmittelüberwachung oder beim Standesamt in Zukunft noch mehr Personal fehlt, dann ist das kein Abbau von Bürokratie, sondern eine weitere Einschränkung der Lebensqualität in Bochum.“

Das alles ist richtig, deswegen haben wir die Proteste gegen diesen unsozialen Kürzungshaushalt unterstützt, die heute vor dem Rathaus stattgefunden haben. Liebe Ratsmitglieder der rot-grünen Koalition. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie dort wenigsten die Argumente der Beschäftigten und Betroffenen angehört hätten.

Die so genannte „Personalaufwandsbudgetierung“ ist ein Mittel, mit dem der Verwaltungsvorstand und die politisch Verantwortlichen versuchen, sich aus der Verantwortung für ihre Entscheidungen zu stehlen: Den einzelnen Amtsleitungen und Beigeordneten wird die Entscheidung aufgebürdet, welche Stellen genau gestrichen werden – denn die einzelnen Fachbereiche bekommen kein ausreichendes Personalbudget mehr und müssen den Mangel verwalten und die konkreten Kürzungsmaßnahmen durchsetzen. Noch nicht einmal die jetzt im März anstehenden Tariferhöhungen sind in dem Budget berücksichtigt worden und werden damit zu weiterem Personalabbau führen müssen.

Der Personalrat kritisiert zu Recht, dass es durch diese Politik zu weiteren Arbeitsverdichtungen, Arbeitsüberlastungen und überlastungsbedingten Krankheitsausfällen kommen wird. Von dieser unsozialen Politik sind längst nicht nur die Beschäftigten der Stadt betroffen. Bereits jetzt gibt es zum Beispiel in den Bürgerbüros und im Ausländerbüro viel zu lange Wartezeiten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind überlastet. Und dabei geht es nicht nur darum, dass wir vielleicht mal irgendwo sechs, acht oder zehn Minuten länger warten müssen – es sei denn bei einem Feuerwehreinsatz. Wenn städtische Institutionen nicht richtig arbeiten, dann kann das schnell existenzgefährdende Folgen haben, zum Beispiel, wenn es um soziale Belange oder Aufenthaltsgenehmigungen geht. Wenn Jugendheime geschlossen werden, hat das Konsequenzen, die uns erst in Zukunft auf die Füße fallen werden.

Was Sie, liebe VertreterInnen der rot-grünen Rathauskoalition, hier und heute beschließen wollen, ist nichts anderes als eine unsoziale Kürzungspolitik auf dem Rücken der Angestellten, der Auszubildenden der Stadt und der befristet Beschäftigten! Wir fordern mit dem Personalrat, der Jugend- und Auszubildendenvertretung und den Gewerkschaften: Alle 78 Auszubildende der Stadt müssen in diesem Jahr unbefristet übernommen werden! Nicht nur, um sie nicht in eine ungewisse Zukunft zu entlassen – nein, sondern damit die Verwaltung auch zukünftig ihren Aufgaben gerecht werden kann. Die Zeitverträge müssen in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden. Die Personalaufwandsbudgetierung und die Einstellungskorridore müssen abgeschafft werden!

Kürzungen und fehlende Aufstockungen beim Personal und Ausgliederungen von Eigenbetrieben bringen nicht nur nichts, sondern sie sind sogar kontraproduktiv. Das zeigt folgendes Beispiel: Das Rechnungsprüfungsamt klagt über fehlendes qualifiziertes Personal für Vergabe, Vertragsgestaltung und Nachverfolgung im Bereich Hoch- und Tiefbau. Aus meiner Erfahrung als Mitarbeiter im Untersuchungsausschuss des Landtages für den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW kenne ich die Herausforderungen dieser Materie und weiß, wie schnell die Grenzen zur Korruption und Vorteilnahme überschritten werden. Hier könnten durch entschiedenes Handeln und die Verfolgung von Mängeln Millionenbeträge eingespart werden.

Das Schauspielhaus wurde in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt und arbeitet seitdem weniger effektiv, d.h. das Budget war vorher um ca. 300.000 Euro geringer als aktuell.

Tatsächlich befindet sich die Stadt Bochum in einer dramatischen Haushaltssituation. Das liegt zum einen an Fehlentscheidungen der lokalen Politik, die auf teure Prestigeprojekte wie das Konzerthaus setzt oder für die Suche nach einem neuen Technischen Beigeordneten 65.000 Euro für eine Personalagentur ausgibt und gleichzeitig behauptet, für den Erhalt der öffentlichen Daseinsvorsorge sei kein Geld da.

Vor allem aber hat eine grundlegend falsche Politik auf Bundes- und Landesebene die Kommunen an den Abgrund getrieben. Bund und Land haben den Kommunen zusätzliche Aufgaben übertragen, ohne die Gegenfinanzierung sicherzustellen. Steuern insbesondere für Besserverdienende wurden gesenkt, worunter die Kommunen besonders leiden.

Aber es hilft nichts, deswegen nur auf Berlin oder Düsseldorf zu schimpfen. Die Parteien, die für diese radikale Umverteilung verantwortlich sind, sitzen hier in Bochum alle im Rat. Deswegen fordern wir die lokal Verantwortlichen weiterhin auf, dieser Politik die Unterstützung zu entziehen. Und zwar nicht nur durch milde Protestbriefe, sondern indem sie diese Parteien nicht mehr unterstützen, die uns in diese Misere gebracht haben. Als LINKE fordern wir eine Entschuldung der Kommunen und eine vollständige Gegenfinanzierung der Folgekosten von Arbeitslosigkeit. Nicht zu hohe Ausgaben sind das Kernproblem, sondern zu niedrige Einnahmen. Es darf keine Steuergeschenke an Höchstverdienende geben. Wir brauchen ein sozial gerechtes Steuersystem. Gewerbesteuereinnahmen müssen vollständig bei den Kommunen bleiben.

Deshalb ist ein konsequentes Nein zu weiteren Kürzungen so wichtig: Wenn wir gemeinsam Nein zu dieser Politik sagen, können wir zusammen mit den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, die heute zu Recht vor dem Rathaus protestiert haben, aktiv Druck auf die Bezirksregierung in Arnsberg, auf die Landesregierung in Düsseldorf und die Bundesregierung in Berlin ausüben. Daher lehnt meine Fraktion den vorgelegten Haushalt 2015 der Stadt Bochum ab. Das Haushaltssicherungskonzept ist kein Sparkonzept, sondern ein sozial unausgewogenes Kürzungskonzept. Die vorgelegten Maßnahmen können die Probleme, die wir in Bochum haben, nicht lösen, sondern es werden dadurch nur neue geschaffen.

Ich danke Ihnen!